Versuch einer Annäherung.
„Weltkunde ist immer nur
Heimatkunde.“
Siegfried Lenz – Heimatmuseum.
Für mich war Heimat immer der Ort wo
ich geboren wurde, wo ich aufwuchs, wo ich denn Geschichten der Alten
lauschte.
In einem kleinen Waldort im Pfälzerwald
verbrachte ich meine Kindheit. Früh übte ich mich darinnen der
Stimme der Landschaft zu lauschen, bemerkte alsbald dass es auch eine
„Landschaft der Verkörperungen“ gibt. Ich meine damit eine
Landschaft in der der Geist unserer Ahnen weiterlebt uns etwas
hinterlässt. Eine „Lichtung“
Während meiner Grundschulzeit gab es
noch das Fach Heimatkunde. Die Stunden in denen ich in der Schulbank
oder auf Exkursionen das wichtigste über meine Heimat erfuhr zählen
zu den schönsten meiner Schulzeit.
Letztendlich ist Heimatkunde viel mehr
als nur die „Kunde von der Heimat“. Sie ist eine
Gesamtwissenschaft.
Schließlich berührt die Heimatkunde
durch die Erfassung des Menschen zu seiner Mitwelt, seinem Lebensraum
eine große Anzahl von Einzelwissenschaften:
Geschichte, Volkskunde, Biologie,
Geologie, Geografie, Botanik, Zoologie u.v.m.
Denn das was wir Heimatkunde nennen ist
schließlich ein unteilbares Ganzes.
Schon sehr früh spürte ich dieses
„große Ganze“. Eine innere Verbundenheit mit der Tier- und
Pflanzenwelt, mit der Heimatgeschichte, mit alten Gebäuden und noch
älteren Grenzsteinen und Ruinen die einsam in den Wäldern darauf
warten das jemand ihre Geschichte erforscht und sie weitergibt.
Die alten Dinge haben ihre eigene
Geschichte, wenn nicht sogar ihr eigenes Sein. Durch Entfremdung von
der Heimat kann es schnell passieren das der Mensch in einer
„Seinsverlorenheit“ landet. Ohne Heimatgefühl müsste ich den
Weg der Selbstentfremdung gehen und davor ist mir Angst.
Dieses Gefühl hat sehr viel mit der
„Muttersprache“ zu tun, bei mir eben mit dem „Pfälzischen“.
Denn Heimat ist natürlich auch immer sehr subjektiv. So schrieb Carl
Zuckmayer zu recht über die Pfalz...“Das Land am Rhein war schon
immer eine große Völkermühle, die Kelter Europas“.
Und Heinrich von Riehl einer der ersten
pfälzischen Volkskundler machte die Pfalz international:
„...ziehen wir die Summe unserer
pfälzischen Völkertafel, so ist der erste Eindruck ein verwirrendes
Gemisch: Kelten, Vangionen, Nemeter, Burgunder, Römer, Juden – der
verwüstend durchstreifenden Alanen, Hunnen u.s.w. Gar nicht zu
gedenken -, Alemanen, zweierlei Franken, Slawen, Friesen, Franzosen,
Holländer, Zigeuner und so fort“.
All diese Völker die hier durchzogen
hinterließen etwas dass in unsere Muttersprache einfloss.
Und dieser Durchzug der Völker ist ja
lang noch nicht beendet.
„Im Jahr 2013 wurde für mehr als
eine Million Zuwanderer Deutschland zur neuen Heimat. Inzwischen hat
ein Viertel der bundesdeutschen Bevölkerung einen
Migrationshintergrund. Die Zugezogenen arbeiten in Deutschland,
gründen Familien. Viele wurden hier schon geboren. Deutschland ist
ihre Heimat. Doch noch immer werden sie von der deutschen
Mehrheitsbevölkerung nicht als gleichberechtigt akzeptiert...“
(Deutschlandfunk – Sendung – über die Schwierigkeiten ein
Deutscher zu sein, 4.10. 2014)
Gewiss ist der Heimatbegriff eines
Menschen der in der Großstadt lebt etwas anders als der des Menschen
der in der kleinen Dorfgemeinschaft lebt - Heimat aber kennen beide.
Der amerikanische Schriftsteller und
Philosoph Henry David Thoreau der fast nie seine engere Heimat um das
Städtchen Conncord verließ und der sich mit der Landschaft in der
er lebte ganz identifizierte behauptete er betreibe nicht Heimatkunde
sondern Kosmologie. Für ihn waren einfach die unermesslichen Wunder
des gesamten Kosmos in der kleinsten Naturerscheinung präsent.
Heimatgefühl sollte nicht in Romantik
enden – Heimat verpflichtet auch!
Nämlich jenen die ankommen, die aus
ihrem eigenen Land vertrieben und verjagt wurden, eine Tür zu öffnen
und ihnen dabei zu helfen eine neue Heimat, wenn vielleicht auch nur
für eine gewisse Zeit zu finden. Vor allem wir Deutsche mit unseren
blutigen, braunen Flecken in Geschichte und Heimatgeschichte stehen
hier in besonderer Verantwortung.
Heimatgefühl darf also keine Türen
verschließen sondern muss sie öffnen.
Heute erklären wir den Begriff Heimat
gerne mit „regionaler Identität“ oder „Bioregionalismus“.
Ich selbst finde an dem Wort Heimat nichts altmodisches oder
„hanebüchenes“.
Der Historiker Wilhelm Jannsen sagte
einmal: „Heimat definiert sich zu einem guten Teil über ihre
Geschichte“. Und Enzo Bunz schrieb: „Heimatgeschichte ist nicht
nur die Geschichte derer die anscheinend schon immer da waren,
sondern auch jener die neu hinzukommen“.
Heimat das ist immer ein Doppelbild des
Gestern und Heute, ein Dokument aus Gegenwart und Vergangenheit.
Als Menschen können wir die Gegenwart,
die Realität in der wir leben und den oft dunklen Weg in die Zukunft
denn wir gehen müssen nur durch ein kritisches Verständnis unserer
geschichtlichen Vergangenheit erkennen und begreifen. Wir müssen
unsere Geschichtlichkeit, die wir ja alle haben, immer vor Augen
haben, denn nur so erlangen wir eine Identität. Gerade diese
Geschichtlichkeit in die wir eingebunden sind gehört zum notwendigen
Wissen über die Wirklichkeit und Realität in der wir ja täglich
Leben. Die geschichtlichen Fakten sind zwar oft ungewiss, bedürfen
der Nachforschungen aber sie sind doch realistischer als unsere
Einbildungskraft. So wird für den der sich mit Heimatgeschichte
beschäftigt diese zu einem Fundus aus dem er sich nehmen kann was er
fürs Leben benötigt: erlebte Erfahrung!
In den Worten Goethes ausgedrückt: „Es
gibt kein Vergangenes, das man zurücksehnen dürfte, es gibt nur ein
ewig Neues, das sich aus den erweiterten Elementen des Vergangenen
gestaltet...“
Heimat dass ist auch eine „innere
Landschaft“.
Das Wissen von der Heimatgeschichte
macht den Begriff Heimat zu etwas Ganzheitlichem, in der sich die
Welt von Gestern in eine „innere Landschaft“ verwandelt. Und jene
die Heimat haben kennen auch diese „inneren Bilder“. Es ist ein
Reichtum an Gefühlen, Gedanken und Empfindungen die diese „Bilder“
in uns hervorrufen. Daher darf Heimat nie zur Nebensache werden, denn
für jene die sich aufmachen müssen eine neue Heimat zu suchen, ist
sie Hauptsache.
Heimat wird von vielen Menschen in
ihren Tagträumen gesucht und diese Suche darf keine Vision bleiben.
Daher muss es eine Solidarität geben zwischen dem Heimatbesitzenden
und dem Heimatsuchenden.
Vergessen wir also jene nicht die hier
schon lange angekommen sind, denen wir es aber schwer machen hier
Wurzeln zu schlagen.
Heimat dass soll auch Hoffnung heißen
– Hoffnung auf mehr Menschlichkeit. Ganz im Sinne des „Prinzips
Hoffnung“ von Ernst Bloch, der am Schluss seines 1600 seitigen
Hauptwerkes schrieb:
„Die Wurzel der Geschichte aber ist
der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und
überholende Mensch. Hat er sich erfasst und das Seine ohne
Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so
entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und
worinnen noch niemand war: Heimat.“
hukwa
Lit. Hinweise:
Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung.
H.D.Thoreau: Walden oder Leben in den
Wäldern.
J.W.Goethe: Gespräche mit Eckermann.
Martin Heidegger: Sein und Zeit.
Heinrich von Riehl: Die Pfälzer, 1857.
Carl Zuckmayer: Gesammelte Werke.
Deutschlandfunk: Über die
Schwierigkeiten ein Deutscher zu sein.
Rainer Schlundt: Sagen aus Rheinland -
Pfalz