Donnerstag, 25. Dezember 2014

Mein alter Garten

Als hätten Blumen bekränzte Feen ihr geheimes Reich geöffnet so durchzieht der süß-schwere Maiduft den alten Garten. Der Welt entrückt, verborgen hinter den Blütenschleiern des weißen Hartriegels und des überschäumenden und verführerischen Perlmuttsstrauchs existiert hier eine eigene Welt. Der Märchenwelt scheint er entstiegen zu sein oder der Traum Dornröschens hat ihn hierher verbannt. Ein wunderschöner kleiner Teich ladet nicht nur Libellen und Schwebfliegen zum Verweilen ein sondern auch Nymphen und Elfen. In diesem kleinen Paradies scheinen auch Gnome und Kobolde gern gesehene Gäste zu sein. Bizarre Wurzeln, Äste, Findlinge und bemooste Steine am Teich bilden einen wundervollen Kontrast zu den filigranen Strukturen der Pflanzen und über allem regiert der süßliche Duft des Mai.
Eine grüne Pflanzenmagie umrahmt vom märchenhaften Zauber des wildwuchernden Efeus lässt hier alles etwas jenseitig erscheinen. Als wäre der alte Garten Teil der Anderswelt. Wahrscheinlich ist er aber eine Zwischenwelt, eine Welt zwischen Jenseits und Diesseits, zwischen realer Welt und Anderswelt.
Wer hier wandelt fühlt sich ins Reich der Romantik versetzt und beginnt alsbald mit der Suche nach der blauen Blume die man hier vermutet. Jene Blume die der Wirklichkeit das voraus hatte, dass sowenig wie sie gefunden werden kann, wird sie auch niemals verloren gehen. Wenn sie auch nirgendwo wächst, dann lebt sie doch auf ewig. Denn sie ist das Urbild des grenzenlosen Geistes. Doch hier, in diesem alten verträumten Garten, könnte sie tatsächlich wachsen. Es liegt ein unbeschwerter und geheimnisvoller Zauber über diesem alten Garten, der jenen die ihn betreten wie ein Gruß aus einem anderen Zeitalter empfängt.
Man spürt deutlich die Kraft die hier wirkt, eine Kraft von der alle hier wachsende Wesen erfüllt sind und die beim Betreten dieses Idylls auf einem überzugehen scheint. Die uns berührt wie ein Zauber als würde uns für einen Moment die Göttin Aurora persönlich berühren.
Es heißt das Urbild aller Gärten sei der Paradiesgarten und dieser hier schien nach seinem Ebenbild geschaffen zu sein. Der Glückliche nimmt hier, wenn auch nur leicht und verschwommen, jene Wesen wahr, die ansonsten nur in seiner Einbildung, in seiner Imago, existieren. Er weiß sie sind vorhanden, aber eben nicht von dieser Welt, doch die Welt des alten Gartens ist nun einmal eine Zwischenwelt, wer sie betritt sollte sich darauf gefasst machen, dass die unsichtbaren Geister die ihn begleiten sich für einige Zeit verkörpern und er somit das erste Mal die wirkliche Realität schaut und nicht nur einen Teilaspekt von ihr. Denn hier ist alles verwunschen.
Durch eine Sandsteinmauer schirmt sich der Garten von der profanen Welt ab. Keine Schmutzwässer sickern ein in dieses Paradies und seine unsichtbaren Bewohner haben hier ein Refugium gefunden. Wer von außen an der hohen Steinmauer vorbei läuft ahnt nicht das sich hier ein letztes Kleinod verbirgt.
Nur jenen die noch beseelt sind vom alten Glauben öffnen sich seine Pforten und er bekommt ein Einblick in die Geheimnisse einer Welt von der wir denken dass sie nie existiert hat.
Schon lange haben sich die Geister aus der Welt der Menschen zurückgezogen, nur noch wenige Plätze existieren, wo sie sich in dieser Welt behaupten können, der alte Garten ist solch einer.
Sie die nur noch in den Träumen von Dichtern existieren haben hier eine letzte Zufluchtsstätte gefunden. Und wer für einige zeit hier verweilen darf dem passiert es vielleicht, das sich das Tor zur Anderswelt öffnet und er einen Blick in sie werfen kann um geläutert aus dem alten Garten heim kehren zu können in die wahre Heimat die wir lange schon verlassen haben.



Der alte Garten liegt am ende der Stadt, gleich dort wo der Wald beginnt. Wie oft habe ich als Kind hier auf der vermoosten Steinbank gesessen und dem zarten Flügelschlag der Elfen geschaut und das fröhliche Gelächter der Gnomen in mich aufgenommen. An Abenden wenn vom nahen Wald die weißen Nebelschwaden aufstiegen und sich manchmal über den Garten legten und ihn noch mehr verzauberten als er es ohnehin schon war. Nie hätte ich sein Geheimnis verraten und behielt es bis Heute für mich. Jetzt kann ich darüber schreiben denn niemand außer mir weiß wo der Garten ist.
Und so soll es auch bleiben, doch glaubt mir irgendwann wird es wieder mehr solcher Paradiese geben. Das Heer der Geister wird zurückkehren um denen die reinen Herzens sind die Tore ihrer Reiche zu öffnen.
hukwa