Sonntag, 11. November 2012

Über den pfälzischen Pfingstquak


Uns heute erscheint die magische Welt sogenannter primitiver Völker als in sich geschlossen und wunderbar, aber wir können das Denken dieser Völker überhaupt nicht mehr vollziehen. Für uns gibt es die Beseelung der leblosen Natur nicht mehr. Seit Jahrtausenden erlebt die zivilisierte Welt eine zunehmende Entmagisierung der Sprach- und Vorstellungswelt.
Wenn man sich der Herkunft sogenannter „Vegetationsfeste“ (Pfingstquak, Maibaum, Frühlingsfeste, alte Jahresfeste wie Johannistag ect.)  annähern will, wenn man sie erforschen will, muss man das Problem der Bedeutung von Riten aufrollen.
Vegetationsfeste haben ihre Wurzeln in jenem Zeit und Raum den wir das Neolithikum nennen und es handelt sich dabei ausschließlich um Sexual- und Fruchtbarkeit Festlichkeiten. 
Es dürfte eindeutig klar sein dass Vegetationsfeste wie z.B. das Pfingstquak ihre Wurzeln nicht im Mittelalter haben, wie dies Helmut Seebach in seinem Buch „Alte Feste in der Pfalz“ behaupten möchte. Einen sehr guten Artikel zum Pfingstquak hat Adam Gerlach in den „Blättern zur Trippstadter Heimatgeschichte“ geschrieben,
Wenn man die verschiedenen Deutungen der Heimatforscher über Brauchtumsfeste gegeneinander hält, gewinnt man den Eindruck, das die Brauchtumsforschung noch keineswegs abgeschlossen. Seit dem Erscheinen von Sir James George Frazer  Monumentalwerk „der goldene Zweig“ ist die Brauchtumsforschung damit beschäftigt, das Wesen und die Besonderheit dieser Feste zu ermitteln. Die meisten von Frazers Einzeltheorien, wie die der Entwicklung von Magie und Religion und von Ursprung und Entwicklung des Totemismus, sind heute nicht mehr haltbar. Aber die unglaubliche Fülle der Fakten, die er ansammelte, bilden nicht nur ein beeindruckendes Monument, sondern sind eine Sammlung volkskundlicher Schriften auf die wohl jeder Volkskundler irgendwann zurückgreifen muss. Und es darf wohl Heute noch das gelten was A.E.Housmann über den „goldenen Zweig“ in seiner Laudatio im Jahr 1921 sagte: 
„Dort findet man Wissenschaft vermählt mit Literatur, mühevolle Arbeit, mit leichter Hand präsentiert, und ein Museum voll dunklen, geheimnisvollen Aberglaubens, ausgestattet mit dem Charme einer wahrhaft sympathetischen Magie. Dort haben sie als Mahnung für eine stolze, vergessliche Rasse die verstreuten, vergänglichen Relikte – ob nun unter wilden Völkern in fernen Ländern oder unbeachtet vor unserer Tür liegend. Die vergessenen Meilensteine der Landstrasse, auf der der Mensch gereist ist, die Labyrinthe und Irrwege seines Fortschreitens durch die Zeiten werden durch ihre Kunst und ihren Genius erhellt und die fernsten und ältesten Dinge den Sinnen und Herzen Ihrer Zeitgenossen nahegebracht.“ 
Das Wissen dass Vegetationsfeste wie das pfälzische Pfingstquak in ganz Europa gefeiert wurden verdanken wir Frazer, der solche Brauchtumsfeste als erster Weltweit sammelt. Was beim Pfingstquak und ähnlichen Vegetationsfesten im Lauf eines Jahreszyklus „zelebriert“ wird ist nichts anderes als der „Mythos von Nemi“, der sich auch wie ein roter Faden durch den „goldenen Zweig“ schlängelt.
Dieser Mythos betrifft die Regeln der priesterlichen Nachfolge im geheiligten Hain der Diana in Nemi, in den Albaner Bergen in Italien. Der See (Nemi) und der Hain waren einmal bekannt als der See und der Hain von Aricia, einer kleinen Stadt in etwa fünf Kilometer Entfernung von Nemi. Der Priester – König dieses heiligen Hains steht unausgesetzt mit gezogenem Schwert unter einem bestimmten Baum des Gehölzes; er ist immer auf der Wacht. Er hatte dieses Amt errungen, nachdem er seinen Vorgänger mit einem Schössling des Mistelzweigs ermordete, der hoch oben in dem Baum wuchs (Anspielung auch auf den Vegetationsgott Baldur), und er ist seinerseits vom Schicksal dazu bestimmt, durch einen erfolgreichen Herausforderer auf die gleiche Weise hingerichtet zu werden. Er verteidigte sich nur solange erfolgreich wie seine Wachsamkeit, sein Geschick und seine Stärke nicht nachließen. Sobald seine Aufmerksamkeit erlosch, wurde er ermordet, und sein Mörder nahm seinen Platz ein.
Der „Mythos von Nemi“ ist ein magischer Mythos. Nach Frazer konnte Religion erst auftreten, nachdem der Mensch zu einem Zustand der höheren Intelligenz fortgeschritten und in der Lage war, seine eigene Ohnmacht gegenüber der Natur zu erkennen, also versuchte er die Natur Rituell zu beeinflussen. Die frühen Stammesführer, Könige und Priester wurden mit Naturkräften wie Wachstum und Fruchtbarkeit identifiziert. Aber auch mit Teilen der Natur so mit Sonne, Mond und dem Wald. Der König Priester zu Nemie und auch die heilige Diana galten als solche Naturgottheiten. Als Königin und König des Waldes waren sie verantwortlich für das Wohl der Menschen, und ihre Vereinigung war wesentlich für die Fruchtbarkeit der Erde, des Viehs und der Menschen. 
Ein allgemeines Symptom für das Schwinden der Kraft des Königs wurde im Nachlassen der sexuellen Kraft im Alter gesehen. Wenn das Wohlergehen der Menschen in einer Gesellschaft, vom König abhing, so erwartete man damals das dieser immer Zeugungsfähig ist, denn ist er dies nicht mehr dann betrifft seine Entkräftung alle – vor allem aber die Natur. Die Tötung des Königs von Nemi ist also nichts anderes als ein Opfer an Mutter Erde. Wenn man den König aber tötete, bevor seine Kräfte nachzulassen begannen, dann konnte seine Seele zur Zeit ihrer größten Kraft befreit werden und durch Vererbung oder Übertragung in einen Nachfolger übergehen. Dies ist die Vorstellung die hinter der Priester Nachfolge von Nemi steht. 
hukwa

Lit: Hinweise

James George Frazer: Der golden Zweig; Das Geheimnis von Glauben und Sitten der Völker;
Abraham Kardinier; Edward Preble: Wegbereiter der modernen Anthropologie;
Hans Wagner: Zeitschrift: Der Hain.