Die letzten Tage brachten wieder wunderschönes Herbstwetter.
Klarer Sonnenschein, in den Nächten stand der Vollmond unruhig am Himmel. Dicht
prangen nun überall die Ebereschen, blinken glühend rot in den Tag hinein. Die
Beeren des Holunders hängen schwer an den Zweigen dieses wundersamen Strauches.
Nun ist Beerenzeit. Pilze treiben auch schon überall hervor, diese Kinder der
Nacht, entzücken nun den Wanderer in ihren unterschiedlichen Farben und Formen.
Die Kastanien hängen dick an den Ästen und bald fallen die ersten Eicheln. Auch
die Haselnüsse stehen kurz vor der Reife und die Brombeeren schmecken um diese
Jahreszeit besonders süß. Der Frühherbst ist nicht nur die Zeit der äußeren
Reife der Natur, es ist auch die Zeit der inneren Reife. Noch drei Monate dann
neigt sich auch dieses Jahr seinem ende zu. Jetzt am frühen Morgen, wenn im
Sonnenlicht die silbernen Spinnfäden des Altweibersommers funkeln, fühlt der
Wanderer wie das "über die Dinge" nachdenken, ihn regelrecht
überfällt. Das ist der Herbst – eine Zeit des Wanderns und des Philosophierens.
Wie die Nüsse einen Jahreszyklus benötigen um hart und fruchtbar zu werden so
ist es auch mit unserem Geist: Jetzt sollten wir reflektieren und über die Saat
und Früchte eines sich zu Ende neigenden Jahres nachdenken. Wir haben Stürme
überstanden und Hitze ausgehalten, nun erwartet uns die Kälte des Winters, eine
Zeit der Erstarrung, doch nur der scheinbaren Erstarrung, im dunkeln, im versteckten
regt sich die Natur weiter, entwickelt sich zu einem Neuen hin. So ergeht es
den Pflanzen als auch dem menschlichen Geist. Es sind die Sätze Rilkes die
jetzt ihre Wirkung entfalten: "Jetzt blühen wieder die roten Berberritzen,
wer jetzt noch keine Heimat hat wird nie eine besitzen." Für den
philosophischen Menschen gilt nun sich vorzubereiten, sich hart zu machen,
seinen Geist zu stählern, so dass er bereit ist den Infamitäten des Lebens, der
Dummheit der Menschen, ihrer Gier zu widerstehen. Es ist eine Zeit des sich
Loslösens und Festhaltens zu gleich. Es ist die Zeit früher Morgenspaziergänge,
wo der Geist schweifen kann, sich ausdehnen kann, in die Weite zu schauen sich
aufmacht. "Werde der du bist", will uns der Herbst zurufen, bewahre
die Früchte die du über das Jahr gesammelt hast damit sie deinen Geist einen
langen, kalten Winter lang nähren. Nietzsche hat in solcher Zeit des frühen
Herbstes sein wundersames Gedicht nach
"Neuen Meeren" niedergeschrieben:
Dorthin – will ich; und ich traue
mir fortan, und meinem Griff.
Offen liegt das Meer, ins Blaue
treibt mein Genueser Schiff.
Alles glänzt mir neu und neuer,
Mittag schläft auf Raum und Zeit - :
nur dein Auge – ungeheuer
blickt mich an, Unendlichkeit.
So wie der neue Wein nun in den Fässern gärt, sollen auch
die Gedanken gären, das sie klar und golden werden, das sie schmackhaft zu
Worte geformt aus unserem Munde rieseln. Wie frisches Öl sollten die Gedanken
nun unser Bewusstsein vorantreiben. Etwas Neues ist zur Gebärung bereit, will
neue Saat werden. Das ist der Herbst und seine Früchte.
hukwa