In unserer Gemarkung ist der Übergang von der Waldlandschaft in die Kulturlandschaft fließend. Dieses plötzliche Hineintreten in eine andere Landschaft ist immer wieder faszinierend für mich. Aus dem dunklen Fichtenwald hinein in die Feldgehölze zu treten bedeutet auch eine ganz andere Tier und Pflanzenwelt beobachten zu können.
Am Nachmittag bin ich zu einer Wanderung zur Willensteiner Burgruine aufgebrochen. Ich laufe diese Route gern führt sie mich doch durch dichten Wald offene kleinere Sumpflandschaft hinein in das Reich der Feldgehölze. Auf dem Weg habe ich nach Frühjahrsblühern Ausschau gehalten. Alles in der Natur ist jetzt ende März noch karg. Doch an den Stellen wo öfters die Sonne hindringt, zeigt sich bereits Blütenleben. Um die selteneren Arten ausfindig zu machen musste ich die Wege verlassen und durch das dichtere Unterholz laufen. An einer mir wohlbekannten Stelle, versteckt an einem Bachlauf fand ich das Lungenkraut in voller Blüte. Jeden März komme ich wenigstens einmal an diesen Platz um die Blüte dieses Heilkrautes das der Volksmund Brüderchen und Schwesterchen nennt zu bewundern. Ihre rötlich – bläulichen Blüten verzaubern denn noch in Winterstarre verharrend Uferrand des Wildbachs. Am Himmel zog ein Bussard seine Kreise und der Ruf des Grünspechts begleitete mich während ich dem Weg des Wassers folgte. Auch die Haselwurz stand schon in Blüte. Ihre veilchenähnliche Blätter haben das dunkelste Grün aller einheimischen Pflanzen. Als ich bei der Burg angekommen war überraschten mich dort die goldgelben Sterne des Scharbockskrautes, sie bevorzugt feuchte Stellen zum Gedeihen und breitet sich dort wo sie sich wohl fühlt wie ein Teppich aus. Die Blüten der stinkenden Nieswurz ist fast schon vorbei doch fand ich ein schönes Exemplar in der Nähe der Burg. Das erste Blühen dieses Frühlingsboten beginnt bereits im Januar. Die alte Erdmutter hat das ungewöhnliche Gedeihen in der kalten Winterzeit auf eine ideale Weise gelöst. Der Pflanze steht nachts Zucker zur Verfügung, der einer wässerige Lösung einen tieferen Gefrierpunkt gibt. So schadet die Kälte der Pflanze nicht. Sie enthält den Zucker durch Umwandlung aus Stärke. Diese wiederum stellt das Gewächs tagsüber mit Hilfe der Sonne aus Kohlendioxid und Wasser her.
An Tagfaltern begegnete mir die Frühform von Zitronenfalter und Landkärtchen.
Ich ließ die Burg hinter mir und erklettert bald einen steilen Waldhang. Um seine Gipfel zu erreichen musste ich viele umgestürzte alte Baumriesen überwinden. Starke dicke Tannen und Eichen reckten ihre Äste hier in den Himmel, während am Boden majestätisch die Leiber ihrer zum Teil vermoderten Geschwister langsam in Fäulnis übergingen. In diesem Prozess des Sterbens und Gedeihens würde unser Wald ohne die zersetzende Kräfte von Pilzen, Flechten, Moosen und Insekten nicht überleben. Die Unmengen an Pflanzen- und Holzresten würden ihn ersticken.
Vom Berggipfel aus hatte ich einen wunderbaren Ausblick über die unter mir liegende Karlstalschlucht. Von hier aus verließ ich denn Wald für einige Zeit und betrat das offene Weiden und Wiesenland das seinen eigenen Zauber besitzt. Wenn ich hier gehe spüre ich immer sehr deutlich denn Geist jener die in vergangenen Jahrhunderten mühselig dieses Stückchen Erde kultiviert haben. Auch zieht es mich oft hierher, weil hier einige sehr alte und mächtige Eichen stehen. Weit über dreihundert Jahre dürfte das Alter dieser Feld- und Grenzeichen sein. Eine von ihnen zieht mich besonders an. Aus einem gemeinsamen Wurzelstock wachsen drei Eichenstämme heraus und bilden ein harmonisches Drillingsgeschwisterpaar. Jeder Stamm so stark, das die Arme eines erwachsenen Menschen zu klein sind diese Baumwesen zu Umarmen. Im Lauf der Jahrhunderte hat sich hier eine faszinierende Vielfalt an Pflanzen und Tieren angesammelt und zu einem eigenen Ökosystem entwickelt. Zwischen den Eichen wuchsen niedere Feldgehölze wie Weisdorn und Holunder und in zwei kräftigen Schwarzbirken entdeckte ich eine große Anzahl von Wachholderdrosselnestern aus dem vergangenen Jahr. Die Wachholderdrossel ist ein bevorzugter Bewohner von Feldgehölzen und erst seit etwa 1850 bei uns beheimatet. Sie entstammt dem hohen Norden. Das sich diese Drossel bei uns ansiedelte muss man auf die Bedeutung der Feldgehölze zurückführen. Die Vögel fliegen von hier aus auf die Wiesen und Felder, wo sie nach Regenwürmern und Insektenlarven suchen. Vor Nesträubern schützen sie sich in gemeinsamer Feindabwehr durch Bespritzen des Angreifers mit klebrigem Kot. Dieses wirkungsvolle Abwehrverhalten würde aber wenig nützen, wenn die Brutkolonien nicht in Feldgehölzen angelegt werden könnten, von denen aus günstige Nahrungsräume unmittelbar erreichbar sind. Große Flugstrecken müssten die Nesträuberabwehr beeinträchtigen und so viel Aufwand verursachen, dass nicht genügend Nahrung für die Jungen herbeizuschaffen wäre. Solche Feldgehölze bieten daher beste Lebensbedingungen für die Wachholderdrosseln. Die größte Artenvielfalt bieten Feldgehölze dann, wenn sich wie hier das Unterholz entfalten kann. Unangemessenes Sauberkeitsdenken ist hier völlig Fehl am Platz und würde solche Biotope zerstören. Es ist eine der Besonderheiten der Trippstadter Landschaft, dass man hier tiefe Wälder, kleinere Sumpfgebiete und offene Kulturlandschaft eng nebeneinander antrifft.
hukwa