Ein paar persönliche Gedanken eines
Heimatforschers zur pfälzischen Geschichte
von Hans Wagner
Es war kein geringerer als der
Altmeister unserer pfälzischen Volkskunde, Kulturhistoriker und
Paulskirchenabgeordneter Wilhelm Heinrich von Riehl der einmal
schrieb: „Geschichtslosigkeit in der Familie erzeugt
Geschichtslosigkeit in Staat und Gesellschaft.“
Wohin ein unkritisches
Geschichtsbewusstsein führen kann erleben wir seit vielen Jahren in
unserem Land durch den immer wieder aufkeimenden Rechtsextremismus.
L..A.Doll sagte einmal über
Heimatforschung: „Um zu wissen, wo man steht und wie man
weitergehen soll, muss man sich auch klar darüber sein, woher man
gekommen ist, soll menschliches Leben nicht blindes umherirren in der
Zeit sein. So ist jede Beschäftigung mit der Heimatgeschichte gut
und heilsam, um den eigenen Standort festzustellen und den Weg in die
Zukunft festlegen zu können.
Wer sich mit der Geschichte seiner
Region beschäftigt bemüht sich nicht nur um historische Erkenntnis
sondern er fragt sich oftmals gleichzeitig: Wo liegen meine Wurzeln
und die meiner Familie? Jedenfalls ist es in der Regel so. So gehen
heimatgeschichtliche Forschungen und Familienforschung oft
nebeneinander einher. Wenn wir mit den Forschungen beginnen ist es am
Anfang der Ort, das Dorf, die Stadt in der ich wohne, deren
Vergangenheit uns interessiert. Doch nach einiger Zeit kommen wir
nicht umhin über „den Kirchturm“ hin auszuschauen und uns der
Landesgeschichte zuzuwenden, denn nur so vermeiden wir das wir in
eine isolierte Heimatgeschichtsforschung fallen. Denn egal wo ich in
der Pfalz wohne es gibt so etwas wie ein „pfälzisches
Gemeinschaftsbewusstsein“ mit dem sich der Heimatforscher verbunden
fühlt.
Dieses Bewusstsein hat nichts mit den
üblichen „Weck, Wurscht un Woi“, Schlagwörtern zu tun, dieses
Bewusstsein hat seine Wurzeln in der Geschichte unseres Pfälzer
Landes. So unter anderem im Hambacher Fest und in der 1849er
Revolution. Aber es hat noch tiefere Wurzeln aus denen es entsprungen
ist wie Sprache, Dialekt, Brauchtum, kulturelle Gemeinsamkeit u. a.
m. Diese Gemeinsamkeiten sind im Bewusstsein der pfälzischen
Bevölkerung verankert und geben dem Pfälzer ein
Zusammengehörigkeitsgefühl.
Schauen wir tiefer in die Geschichte
unserer Pfalz so müssen wir Carl Zuckmayer recht geben, der die
Pfalz als die „Kelter Europas“ bezeichnete und sie eine große
Völkermühle nannte. Und Riehl schrieb 1857 in seinem Buch „die
Pfälzer“: „ziehen wir die Summe unserer pfälzischen
Völkertafel, so ist der erste Eindruck ein verwirrendes Gemisch:
Kelten, Vangionen, Nemeter, Burgunder, Römer, Juden,- der verwüstend
durch streifenden Alanen, Hunnen usw. gar nicht zu gedenken-
Alemannen, zweierlei Franken, Slawen, Friesen, moderne Franzosen,
Holländer, Zigeuner und so fort“.
Wir können diese Liste bis zum
heutigen Tag erweitern, die Migration hat nie aufgehört, unsere
Pfalz ist also ein buntes Völkergemisch, alle diese Kulturen haben
ihre Spuren hinterlassen, darauf sollten wir Pfälzer auch stolz sein
dass wir irgendwie „international“ sind. Für viele war dieses
Land nur Durchgangsstation andere wiederum sind geblieben, die
Pfälzer haben vieles von diesen Kulturen übernommen, vor allem in
der Sprache. Dies sollte man in der Heimatforschung unbedingt
berücksichtigen.
Nun, die Weltachs dreht sich gewiss
nicht in der Pfalz und wenn uns Paul Münch in seiner „pfälzisch
Weltgeschicht“ glaubhaft machen will: „was nit in der Palz
baseert, ist Newesach un hat kee Wert“, dann widerspreche ich
natürlich aufs heftigste. Solche Sprüche habe ich noch nie gemocht
aber sie passen eben bestens in das Klischee von „Weck, Wurscht un
Woi“. Es waren eben Menschen wie Paul Münch die dafür sorgten das
die geschichtsträchtige Pfälzer Landschaft zum Teil eine „Saumagen
Aura“ erhielt.
Nun, eine solche „Pfalzmentalität“
habe ich nie gemocht und mag sie heute noch nicht.
Das Leben eines Volkes im Verlauf
seiner sehr bewegten Geschichte und die hat die Pfalz gehabt spiegelt
sich natürlich auch nicht in den Überlieferungen und Erzählungen
berühmter Adliger wieder sondern vor allem im Leben des einfachen
Volkes.
Der Schriftsteller Ludwig Harig spricht
über die Pfalz von einer biblischen Landschaft, nun ich möchte ihm
nicht widersprechen, die Pfälzische Landschaft ist eine
Geschichtslandschaft die besonders stark mit Blut und Tränen
getränkt wurde. Für diese Landschaft könnte der Ausspruch von
James Joyce stehen: „Die Geschichte ist ein Albtraum aus dem ich zu
erwachen versuche.“
Die Pfalz ist geschichtlich ein von
Kriegen heimgesuchtes Land. Ein Krieg nach dem anderen durchzog
dieses Land das Norbert Schreiber „die Toscana Deutschlands“
nannte.
Vor allem war es der dreißigjährige
Krieg der die Pfalz aufs übelste heimsuchte. Es war das
„Winterkönigtum“ des Kurpfälzers Friedrich V. Der die Pfalz zum
Aufmarschfeld des Dreißigjährigen Krieges machte. Dieser „Lump“
(so nannte ihn mein Geschichtslehrer) hinterließ ein von
Kaiserlichen, von Protestanten, von Schweden, Spaniern, Kroaten,
Franzosen und Deutschen aus den verschiedenen Regionen ausgebeutetes
Land. Dieser Krieg zusammen mit der Pest hat nach dem dreißigjährigen
Sterben dafür gesorgt das nur noch weniger als die Hälfte der
Bevölkerung der Pfalz lebte. „Fame, bellum, peste“ - Hunger,
Krieg und Pest! Diese drei Worte umschreiben das Elend der Pfalz im
Dreißigjährigen Krieg, der natürlich auch im ganzen Reich wütete.
Nach dem „westfälischen Frieden“ war für die Pfalz der Krieg
noch lange nicht zu Ende; die spanische Besetzung von Frankenthal
dauerte bis 1652, der französisch – spanische Krieg war erst 1659
zu Ende. Wenn man von der Geschichte der Pfalz spricht kommt man
nicht umhin von der „pfälzischen Ohnmacht“ zu sprechen.
Es ging weiter mit Krieg und Besatzung
bis zum zweiten Weltkrieg.
Die Identität der Pfalz spiegelt sich
für den Heimatforscher eben nicht in „Weck, Wurscht un Woi“
sondern in Fame, belle, peste.
hukwa