Samstag, 2. März 2019

Über Alt – Lauterer Scharfrichter, Wasenmeister und pfälzische Schindersippen

Im frühen Mittelalter wurden die Todes- und Leibesstrafen von Gerichtsdienern auch Fronboten, Büttel oder Schergen genannt, vollzogen. Bereits bei den Römern gab es Personen die das Scharfrichteramt versahen, sie wurden Carnifex genannt, eine Bezeichnung die sich bis ins späte Mittelalter in verschiedenen Orten gehalten hat. Seit dem 13.Jh. Sind Scharfrichter (Henker) zum Vollzug der Todesstrafe nachgewiesen. Nachdem durch die Landfrieden seit dem 12.Jh. Dass System der Bußzahlung zurückgedrängt wurde, gewann das grausame und auf Abschreckung zielende System der Folter und Verstümmelungsstrafen größere Bedeutung; ursprünglich hatte es derartige Körperstrafen nur für Unfreie gegeben. Durch die im Spätmittelalter allgemein einsetzende Kriminalisierung vor allem in den Städten ging man dazu über Scharfrichter einzusetzen.
Dieser wurde auch Nachrichter genannt da er ja nach einer Verurteilung in Aktion trat. Bereits im Jahre 1276 wurde im Augsburger Stadtrecht ein Scharfrichter erwähnt. Anfangs wurden die Scharfrichter oft gewechselt und man achtete darauf das sich das Amt nicht „vererbte“, später hinaus waren es vor allem Familiensippen die in langjähriger Tradition diese Henkersarbeiten ausführten. In der Regel war der amtierende Scharfrichter auch gleichzeitig der Abdecker- und Wasemmeister einer Stadt. Es bildeten sich regelrechte „Scharfrichterdynastien“ so die Meisenheimer „Scharfrichterfamilie Riemenschneider“. Ihr Name rührt von der Strafe des Riemenschneidens, des Abziehens der Haut bei lebendigen Leibe. Eheschließungen fanden ausschließlich innerhalb der Scharfrichter und Abdeckerfamilien statt. Zu den Aufgaben eines Scharfrichters gehörten die Hinrichtung und die Folter zwecks Herbeiführung eines Geständnisses. Zu diesem Amt gehörten noch eine Reihe weiterer unehrenhafter Tätigkeiten. So war er zuständig für die Kloakenreinigung, das Bestatten von Selbstmördern, die Beseitigung von Tierkörpern und die Aufsicht über die Prostituierten. Diese Arbeiten sorgten für das finazielle Auskommen der Scharfrichter. Das Scharfrichteramt zählte zu den „unehrlichen Berufen“ so war ihnen ein gesonderter Platz in der Kirche als auch im Gasthaus angewiesen, sie wohnten ausserhalb der Stadt wie z.B. in Kaiserslautern im „Schinnergässchen“, der heutigen Wagnerstrasse. Einige Scharfrichter übten nebenbei auch noch Tätigkeiten als Chrirug, Bader oder Wundarzt aus. Da sie die Produkte ihrer Abdeckereien selbst verwerten durften, verfügten sie über einige mittelalterliche Arzneien wie etwa Hundefett das bei Knochenentzündungen verwendet wurden. So stellten sie aus den Körpern der Hingerichteten Menschenfett („Armesünderfett) her das im Mittelalter eine gesuchte Arznei war. Einige von ihnen brachten es hierdurch zu beträchtlichem Vermögen so auch der aus Bärenbach im Hunsrück stammende Scharfrichter Johannes Martin Nagel (1748 – 1827) der als „berühmter Knochenflicker“ und Wundarzt bekannt wurde.
Als Scharfrichter musste man eine Ausbildung machen, die mit einer „Meisterprobe“ abgeschlossen wurde dann wurde ihm der „Meisterbrief“ ausgehändigt.
1731 war ein wichtiges Jahr für die Scharfrichter: Am 14 August wurde das Reichsgesetz erlassen. Artikel 4 lautet: „Die Unehrlichkeit bei den Nachkommen des Schinders erlischt in der dritten Generation. Diese und alle ferneren sollen zu allen und jeden ehrlichen Handwerken und Erwerbsarten zugelassen werden.“
Um die Person des Scharfrichters bildeten sich zahlreiche volkskundliche Sagen und Legenden. Auch Johann Wolfgang von Goethe interessierte sich für diese Geschichten. So wissen wir heute um ein Gespräch dass Goethe mit dem Scharfrichter Karl Huss (1761 – 1836) führte. Der Scharfrichter musste einige Fragen über sich ergehen lassen: „Es ist die sage fast allgemein, der Scharfrichter hat ein gewieses Arcanum oder Getränk, welches er vor jeder Execution einnihmt, um eine gewiße Begierde und Grausamkeit zu erhalten, wie ich auch schon öfters bey Gelegenheit von ansehnlichen großen Geistern gefragt worden bin! Nehmen sie dann etwas vor der Execution ein! Und meine gründliche Antwort war jederzeit! Nein, ich erfülle meine Pflicht, zu welcher mich die göttliche Vorsehung bestimmt hat.“ (Angstmann, S.110).


Ein bekannter Scharfrichter in Lautern war Johann Busch aus Alzey der dieses Amt ab 1760 innehatte. Er war Nachfolger von Johann Franck.
Als Busch sich angeblich „alt und gebrechlich“ fühlte, wolllte er im Jahr 1792 seine Erbpacht als Wasenmeister verkaufen. Der Schinder aus Frankenthal schätzte sein Eigentum auf 500 Gulden. Anscheinend besann sich Busch kurze zeit darauf anders denn er taucht 5 jahre später wieder in Akten auf woraus hervorgeht das er Viehkadaver zum betzenberg brachte und dort vergrub auf Anordnung der Stadtverwaltung. Sein Gehilfe war Johann Nikolaus Schmidt ein Sohn des Scharfrichters von Rockenhausen.
Am 23.7. 1787 machte der Henker und Nachrichter Busch und seine Frau, ihr Testament, weil sie ohne Kinder waren, sollte der Überlebende alles erben. Es sollen aber den Armen ohne Rücksicht auf die Religion 15 Gulden und zum Trost der armen Seelen 30 hl. Messen gelesen werden, sodann der katholischen Kirche 30 Gulden gestiftet werden. Für die letzte Stiftung soll alle Jahr am Sterbetag eine Seelenmesse gelesen werden. Scharfrichter Busch hatte ein recht beeindruckendes Siegel. Es zeigt oben ein Männchen mit einem Richtschwert und unten ein laufendes Pferd.

Im Jahr 1611 war ein Wilhelm Busch genannt „Meister Wilhelm“ Scharfrichter in Lautern. Wahrscheinlich ein Vorfahr des Johann Busch.

Nicklaus Class (Cloß) war 1627 Scharfrichter in Lautern.

Heinrich Dillenburger wird 1740 in lautern als Wasemmeister und Scharfrichter erwähnt.

Peter Dillenburger (Dillenberger) wurde erstmals im Ratsprotokoll der Stadt Lautern am 14.3.1695 als Scharfrichter erwähnt. Er verrichtete seine Tätigkeit während des Pfälzischen Erbfolgekrieges. Kaiserslautern war zu dieser Zeit eine Militär Festung der Franzosen. Am 5.11.1695 waren in der Stadt 17. Kompanien stationiert. Dies führte zu einem starken Zerfall von Sitte und Moral. Der Lauterer Stadtschreiber schrieb damals: „Weillen die Hurreyei in hiesiger Statt sehr überhandt genommen und täglich stark im Schwange gehet, alßo zu beförschten, daß dergleichen in der unzucht erzielte kinder heimblich abgetrieben undt umbs Leben gebracht werden...“ Mehrfach wurden Zeugenverhöre betreffs Verdacht des Kindsmords in den Ratsprotokollen festgehalten. In einem Fall konnte der Nachweis des Kindsmords nicht erbracht werden, doch wurde die Angeklagte durch den Scharfrichter ausgepeitscht danach durch den Stadtdiener zum Stadtor hinausgeführt. Sie wurde aus der Stadt verwiesen mit der „scharfen Verwarnung, sich nicht mehr allhier einzufinden“, auch keine französische Garnison zu betreten.

Peter Dillenburger war Katholik und wurde nach dem Krieg am 8.11.1698 von der Kurpfalz „erbbestandsweise“ als Scharfrichter und Wasemmeister im Oberamt Lautern „angenommen“. Im Jahre 1721 wurde er zur Schatzung herangezogen. Sein Gehilfe war 1706 Heinrich Karp. Später war Karp Scharfrichter in Landstuhl; er ist als „Carnifex“ in Landstuhl am 28.2.1722 Pate in Spesbach bei der Taufe seiner Nichte Anna Maria Karp Tochter des Johann Nikolaus Karp „Carnifex“ in Spesbach. Die Karp waren eine pfälzische Scharfrichtersippe und stammten ursprünglich wahrscheinlich aus Luxemburg dort wird 1615 bereits ein Karp als Scharfrichter genannt.

Johann Franck war um 1749 Scharfrichter in Kaiserslautern. Er wohnte in der Wasemgasse spätere Wagnerstrasse (Schinnergasse). 1759 wurde Franck als Pate bei einem Kind des Scharfsrichters Johann David Franck in Tiefental erwähnt. Johann Franck starb am 9.2.1760 an Fleckfieber im Alter von 40 Jahren in Kaiserslautern.

Christian Helmuß geboren in Stade bei Hamburg war um 1640 Scharfrichter in Kaiserslautern.
Helmuß wird am 31.1.1650 von Deobald Dihl, Scharfrichter in Grumbach beklagt; will am will am 9.7.1650 seinen „Abschied“ nehmen. Am 3.10.1648 klagt Theobald (Debold) Rotgerber von Landstuhl, in Kaiserslautern gegen Helmuß wegen ausgeliehenen Geld.
Helmuß allgemein „Meister Christian“ genannt, geriet mit dem Scharfrichter Theobald Dihl aus Grumbach in Streit. Helmuß war dem Grumbacher Dihl einige Zeit 5 fl. Schuldig geblieben. Dihl nahm Helmuß deswegen auf offenem Feld eine Kuh weg. Die Sache wurde in Kaiserslautern verhandelt.
Am 9.7.1650 erschien er dann im Rathaus von Lautern und beantragte seinen „Abschied“, weil er an einer Seite „lahm“ geworden war. Mit dem genehmigten „Abschied“ wurde ihm ein Schriftstück über sein „Wohlverhalten“ ausgestellt.

Nikolaus Kurtz wurde 1636 in Lautern gestorben. Er wird im Ratsprotokoll von Lautern am 20.5.1615 als Scharf- und Nachrichter erwähnt und dort „Meister Ckoß“ genannt. 1627 zahlte er Pacht für ein Stück Allmende. Er überlebte 1635 den „Kroatensturm“ in der Stadt.

Laurenz Ostermeyer ab dem 3.5.1681 Schafrichter in Kaiserslautern. Sohn des Lauterer Scharfrichters Stephan Ostermeyer übernimmt die Stelle seines verstorbenen Vaters; 1683 als Hintersasse in Kaiserslautern geschatzt. Aus dem Schatzungsregister von 1721 geht hervor das er noch um diese Zeit dass Scharfrichteramt ausführte.

Stephan Ostermeyer Vater des oben Genannten. Nachrichter, Scharfrichter und Wasenmmeister in Lautern. Nachfolger von Christian Helmuß genannt „Meister Stephan“.
Er wird erstmals am 4.2.1651 im Ratsprotokoll der Stadt Lautern erwähnt.
Er klagt am 21.2.1651 vor dem Stadtrat in Lautern wegen der Behausung des hier verstorbenen Nachrichters; fordert am 18.4.1676 als Lohn 7fl für die durchführte „Tortur“ bei Barbara Klein und deren Tochter sowie für Mahlzeiten.
„Meister Stephan“ erhält am 17.2.1652 eine Beschwerde der Sattlerzunft in Kaiserslautern. 1656 wird er als Mitglied der Bäckerzunft geschatzt und muss bei einem Vermögen von 100fl Schatzungsgeld entrichten.
„Meister Stephan“ erhielt am 21.6.1656 Entlohnung für seine Dienste im Fall der Ursula Weilerbacher. Diese war die Witwe des Hans Weilerbacher; sie heiratete in zweiter Ehe den Hofschuhmacher Ludwig Müller. Sie wurde 1656 des Ehebruchs bezichtigt. Um sich ihrer Festnahme zu entziehen, lief sie zu der Bresche, welche die Kaiserlichen 1635 in die Stadtmauer geschossen hatten und stürzte sich in den Graben bei der Ludwigstrasse. Trotz der dabei erlittenen schweren Rückenverletzungen erhielt Ostermeyer den Befehl, die Verletzte so lange zu foltern, bis sie das für eine verurteilung nach den Gesetzen der Inquisitionsprozessen erforderliche Geständnis abgelegt hatte. Die Angeklagte wurde anschließend zum Tode verurteilt. In Vertetung des erkrankten Pfarrers und Inspektor Paul Heuser tröstete und begleitetze der Otterberger Pfarrer Heinrich Achenbach die Todeskandidatin am 19.6.1656 zur Richtstatt. Obwohl sie drei „unerzogene“ (Minderjährige) Waisenkinder hinterließ, hatte die Fürstin und Pfalzgräfin Eleonore keinen Gebrauch von ihrem Begnadigungsrecht gemacht. Schon zweit Tage nach erfolgter Exekution legte Scharfrichter Ostermeyer seine Rechnung vor: Aufschließen des Gefängnisses, so 18 Tage geschehen wie auch dreimal aufzuwarten 3 Gulden, und dann die arme Sünderin hinzurichten 5 Gulden zusammen 8 Gulden. Die kosten der hinrichtung musste die hinterbliebene Familie zahlen.
Ein weiteres Blutgerichturteil hatte Ostermeyer an Ehefrau und Tochter des Kaiserslauterer Bürgers und Schlossers Georg Dietrich zu vollstrecken. Beide wurden wegen „Zauberey“ hingerichtet. Ausserdem musste Dietrich die Stadt verlassen. Von seinem Zufluchtsort Offenbach aus schrieb er am 21.6.1660, dass er wieder Lauterer Bürger werden wollte, doch der Stadtrat lehnte sein Gesuch ab.
Im Sommer 1667 war Ostermeyer bei der Strafverfolgung des jungen „Leiendeckers“ Moritz Fahrenbach, gebürtig in Mainz, tätig. Fahrenbach erhielt den Auftrag, das Kirchturmdach der Stiftskirche zu reparieren. Dabei erbrach er den Almosenstock im Kirchenschiff und entwendete das Geld. Er wurde verhaftet und bei der „Examinierung“ (Verhör) gestand er und räumte auch ein, die gleiche Tat in einer Frankenthaler Kirche begangen zu haben. Das Gericht beschloss ein abschreckendes Exempel zu statuieren, und den Angeklagten durch das Schwert des Scharfrichters hinrichten zu lassen. Fahrenbach richtete ein Gnadengesuch an die Lauterer Fürstin Eleonore. Diese schenkte dem Verurteilten das Leben , doch solle er eine halbe Stunde an den Pranger gestellt, dann 12 Rutenhiebe erhalten und anschließend aus dem Gebiet zwischen Mosel und Rhein verwiesen werden.
Am 8.6.1676 folterte Ostermeyer Anna Barbara Klein und ihre Tochter. Danach wurden beide an den Pranger gestellt. Der Scharfrichter reichte am 18.4.1676 seine Rechnung an den Stadtrat ein: „Ausführung der beiden Weiber; Aufwartung; Tortur und die Mahlzeit zusammen 7 Gulden.

Hans Heinrich Stipp war 1616 Scharfrichter in Kaiserslautern. Sein Gehilfe Peter Krieger stammte aus Alsenbrück.
Die letzte öffentliche Hinrichtung in Kaiserslautern erfolgte 1925 durch das Fallbeil; dazu musste der Scharfrichter aus München nach Kaiserslautern beordert werden.

©hukwa



Literaturhinweise:
Friedrich W. Weber: Als es in Lautern noch Scharfrichter gab. Pfälzer Sunnndag. 1954. Nr. 29
Philipp Littig: Das Schinnergäßchen in Alt-Lautern. 1956
Heinrich Herzog: Scharfrichter und Wasenmeister in Kaiserslautern. 1995
Albert Zink: Das grausige Amt der Familie Gaul. 1957
Else Angstmann: Der Henker in der Volksmeinung. 1972
Wolfgang Bauer, Christiane Wagner: Der Henker in uns. AT-Verlag. 2011