Frau Holle - Zeichnung©Ute Knieriemen-Wagner |
Allgemein
verbreitet war dieser Glauben. Er zog sich über ganz Europa. Mit
einer Vielzahl lokaler Namen bezeichnet waren Feen für die
Landbevölkerung anscheinend real existierende Wesen. Sie waren
meistens von kleinem Wuchs und man sagte ihnen nach das sie über
Zauberkräfte verfügen würden. Sie hausten unter der Erde im Wald,
im Wasser oder auf dem Feld. Auch gab es spezielle Hausgeister. So
fütterte meine alte Großmutter, Gott sei ihrer Seele gnädig,
regelmäßig eine Kreuzspinne über Jahre hinweg, die unter unserem
alten Küchenherd hauste. Für sie war die Spinne der gute
Hauskobold. Als Kind waren für mich Winds-braut und Frau Holle
ebenfalls reale Wesen.
In den
volkskundlichen Überlieferungen über Feen und Naturgeister kommen
widersprüchliche Einstellungen zum Ausdruck. So gibt es böswillige
und gefährliche Zauberwesen, die dem Menschen Schaden beibringen und
es gibt die gute Fee und den guten Kobold.
In vielen Teilen
Europas war die Auffassung verbreitet, dass im heranreifenden Getreide
ein Korngeist hause. In vielen Gegenden stellte man sich darunter ein
weibliches Wesen vor dass wahrscheinlich auf die alte Demeter
zurückzuführen ist. „So hat Mannhardt behauptet, das der erste
Teil von Demeters Namen von einem angeblich kretischen Worte „deai“,
Gerste, hergeleitet sei, und das demnach Demeter nicht mehr und nicht
weniger bedeute als Gerstenmutter oder Kornmutter, denn die Wurzel
des Wortes scheint von den verschiedenen arischen Stämmen auf
verschiedene Getreidearten angewendet worden zu sein“, so lesen wir
bei Frazer in seinem „Goldenen Zweig“.
In anderen Gegenden
wiederum stellte man sich dieses Kornwesen als Ziege, Kalb, Katze
oder Kaninchen vor. Eben so wie für meine Großmutter eine
Kreuzspinne zum Hauskobolden wurde.
Der Vorgang des
Getreideschneidens und Dreschens wurde als „Tötung“ der
Kornmutter angesehen.
So sah man in dem
langsamsten Schnitter, also dem der die letzte Garbe schnitt den
„glücklichen Schnitter“ und stellte ihn in den Mittelpunkt von
Ernteritualen. Die zu letzt geschnittene Korngarbe wurde zu einem
Kranz gewunden und meist im Stall oder an der Haustür angebracht.
Sie sollte Haus und Hof Glück bringen, das Vieh vor Krankheit
schützen und vor allem im nächsten Jahr eine gute Ernte einbringen.
Frazer als auch Mannhardt sahen in diesem Ritual ein uraltes,
archaisches Opferritual. Bestimmt haben sie recht doch die Rituale um
den Korngeist oder die Kornmutter hatten noch einen weiteren realen
Sinn. Die Funktion des Korngeistes diente auch als Schreckgespenst.
Es sollte ganz einfach verhindern das jemand das reifende Korn
niedertrat. So wurde unter anderem die „Roggenmutter“ als ein
furchtbares Wesen geschildert. Eine Variante der Roggenmutter die in
Deutschland beheimatet war sah man als Furcht einflößende Hexe mit
eisernen Brüsten, der man nachsagte sie schlage kleine Kinder tot
wenn diese dass Roggenfeld betreten würden.
In der russischen
Folklore finden wir die „Polewiki“, sie trug eine Sichel bei sich
mit der sie Trunkenbolden die in das Getreidefeld trampelten den
Bauch aufschlitzte. In Schweden finden wir den „Kornbock“, einen
Geist in Ziegengestalt, der im laufe des Jahres immer größer wurde
und jenen die ins Kornfeld hinein trampelten aufspießte. In
Schlesien schärfte man den Kindern ein: „Der Wolf sitzt im
Kornfeld und wird euch in Stücke reißen“.
Insgesamt aber galt
die Kornmutter als fruchtbringender Geist und die Ahnin dieses
Korngeistes dürfte zweifelsohne Demeter sein.
Im volkskundlichen
Brauchtum fließen Überzeugungen zusammen, die weit in unsere
Vergangenheit zurückreichen und häufig disparate oder
widersprüchliche Vorstellungen über die Welt in sich vereinen.
Animistische, magische, dämonische und apotropäische Ansichten
verbinden sich friedlich mit dem christlichen Glauben. Zwar sind böse
Feen und Dämonen im Volksglauben sehr oft anzutreffen, aber die
Gestalt eines über ein regelrechtes Reich des bösen herrschenden
Satans ist eine spezifisch christliche Vorstellung. Die friedliche
Koexistenz zwischen dem katholischen Glauben und den überlieferten
Volksbräuchen, die vor allem den Landbewohnern so viele tröstliche
Rituale zum Schutz vor überirdischen Mächten und zur Markierung des
Jahresablaufs lieferte, erfuhr ihre erste Störung durch den
„Bildersturm“ der Reformation. Von einem Tag auf den andern war
der Gebrauch von Heiligenbildern, Weihwasser, geweihten Palmzeigen
verboten. Die Heiligenfeiertage wurden abgeschafft, Wallfahrtstätten
geschlossen. Diese Erfahrung war für die damalige Landbevölkerung
ein tiefes Traumata. Was an volkstümliche Riten gesammelt wurde
geriet langsam in Vergessenheit. Dennoch sind bis in unsere Zeit
volkstümlicher Aberglaube und Bräuche ein integraler Bestandteil
des ländlichen Lebens geblieben.Dies kann man an den Jahresfesten
Ostern, Sonnwendfesten, Samhain ect. Sehr gut verfolgen. Auch Goethe
hatte Sympathie für den „alten Glauben“. Im Jahre 1777 schrieb
er an Johann Kaspar Lavater: „Dein Durst nach Christus hat mich
gejammert. Du bist übler dran als wir Heiden, uns erscheinen doch in
der Noth unsere Götter“.
Im jahre 1961
schrieb der Psychologe Carl Gustav Jung: „In dem Maße, wie unser
wissenschaftliches Verständnis zugenommen hat, ist unsere Welt
entmenschlicht worden. Der Mensch fühlt sich im Kosmos isoliert,
weil er nicht mehr mit der Natur verbunden ist und seine emotionale
<unbewusste Identität> mit natürlichen Erscheinungen verloren
hat. Diese haben allmählich ihren symbolischen Gehalt eingebüßt.
Der Donner ist nicht mehr die Stimme eines zornigen Gottes und der
Blitz nicht mehr sein strafendes Wurfgeschoss. In keinem Fluss wohnt
mehr ein Geist, kein Baum ist das Lebensprinzip eines Mannes, keine
Schlange die Verkörperung der Weisheit, keine Gebirgshöhle die
Wohnung eines großen Dämons. Es sprechen keine Stimmen mehr aus
Steinen, Pflanzen und Tieren zu Menschen und er selbst redet nicht
mehr zu ihnen in dem Glauben, sie verständen ihn. Sein Kontakt mit
der Natur ist verlorengegangen und damit auch die starke emotionale
Energie, die diese symbolische Verbindung bewirkt hatte“.
Die Volkskunde will
Verständnis für Brauchtum und Aberglauben wecken und sucht nach
Erklärungen der Märchen und Sagen.
Jakob Grimm schrieb
1835 in seiner „Deutschen Mythologie“ in dem Abschnitt
„Aberglaube“:
„Unter
Aberglauben ist nicht der gesamte Inhalt des heidnischen Glaubens zu
verstehen, sondern die Beibehaltung einzelner heidnischer Gebräuche
und Meinungen. Der bekehrte Christ verwarf und verabscheute die
Götter der Heiden, in seinem Herzen blieben aber noch Vorstelllungen
und Gewohnheiten haften, die ohne offenen Bezug auf die alte Lehre
der neuen nicht unmittelbar zu widersprechen schienen. Da wo das
Christentum eine leere Stelle gelassen hatte, wo sein Geist die
roheren Gemüter nicht sogleich durchdringen konnte, wucherte der
Aberglaube oder Überglaube. Niederdeutsch sagt man Biglove,
Beiglaube. Er bezeichnet ein im einzelnen Menschen fortbestehendes
Verharren der Ansichten, welche die große Menge vernünftig fahren
lässt“.
©hukwa
Baumseele - Foto©UteKW |
Literaturhinweise:
James Frazer: Der
goldene Zweig
Paul Herrmann:
Deutsche Mythologie
W. Mannhardt: Die
Korndämonen.
J. Simpson:
Volkstümliche Erzählungen und Bräuche.
Carl Gustav Jung:
Gesammelte Werke.
Goethe: Gesammelte
Werke.
Hans Wagner: Die
Macht des Aberglaubens.
Helmut Hiller:
Lexikon des Aberglaubens.
Jakob Grimm:
Deutsche Mythologie.