Mittwoch, 27. März 2019

Schmied und Schamane - eine alte mythische Verbindung


Foto©Hans Wagner


Väinämöinen drauf, der Alte, sagte so, sprach solche Worte:
Selbst weiß ich des Eisens Ursprung, kenne wohl des Stahls Entstehung,
Luft ist seiner Mütter erste, Wasser ist der älteste Bruder,
Eisen ist der Brüder jüngster, in der Mitte steht das Feuer.

Ukko, Schöpfer in der Höhe, er, der Gott des hohen Himmels,
Trenne von der Luft das Wasser, ließ dem Wassser Land entsteigen,
ungeboren ist das Eisen, ungeboren, ungewachsen...“
Kalevala (Auszug).

Es gibt eine mythologische Verbindung zwischen dem Schmied und dem Schamanen. Bekannte Völkerkundler wie Eliade haben über diese alte spirituelle Beziehung, zwischen Schamanismus und Metallurgie, immer wieder berichtet. Vor allem im Gebiet des nordeurasischen Schamanismus, der klassischen Heimat des Schamanentums ist diese mythische Beziehung stark vorhanden gewesen und von vielen Forschern auch aufgezeichnet geworden.
In diesem Gebiet der Stämme von Jakuten, Eventen und Keten also Völkern bei denen noch heute der Schamanismus eine Rolle spielt war diese Verbindung sehr ausgeprägt. Die Schamanen dieser Völker trugen in ihren Zeremonialgewändern reichhaltigen Metall und Eisenschmuck.
Während des traditionellen Schamanentanzes, einem wirbelnden ekstatischen Tanz, klirrten die Kleidungsstücke der Tänzer laut wegen der metallenen Behänge. Der Schamane war davon überzeugt dass die Geister sich vor metallischen Gegenständen fürchteten, das bereits der Klang der Rasseln und Glocken, die Geistwesen zur Flucht veranlasse. Auch als Schutz gegen die Dämonen wurde das Metall aufgefasst.
Den sibirischen Völkern galt das Eisen als ein geheimnisvolles Element, dem eine spirituelle Bedeutung anhaftete. Es erweckte Assoziationen zum menschlichen Skelett, das ja in den schamanistischen Riten eine wichtige Rolle spielte.
Die Verarbeitung des Eisens, die ja eine Aufgabe des Schmiedes war erschien den Menschen rätselhaft und gefährlich. Die Aura eines geheimen Wissens lag über der Gewinnung und Verarbeitung des Eisens.
Auch bei den Burjaten, ebenfalls einem mongolischen Volkstammes, wurde dem Eisen eine große magische Kraft zugeschrieben. Die Schmiede nahmen neben den Schamanen in der Gesellschaft eine herausreagende Stellung ein. Die Arbeit des Schmiedens wird als Geschenk der Götter angesehen. Diese Achtung vor dem Schmiedeberuf hängt noch mit jenen Zeiten zusammen als die Schmiede das Eisen noch selbst aus dem Erz herstellten. „Das Erz dem Stein entreißen ist ein vorzeitliches Sinnbild aus dem Übergang zweier Weltalter...Wer entreißt dem Stein das Metall?“ (1).
Eine Legende der Burjaten berichtet, dass die neun Söhne des himmlichen Schmiedegottes Boschintoi zur Erde herunterstiegen und den Menschen das Schmieden beibrachten. Es heißt diese göttlichen Schmiede leben auf den eisigen von Schnee bedeckten Bergen des Sajangebirges. Von diesem für die Burjaten heiligen Gebirge aus beschützten sie die Menschen vor bösen Geistern und Krankheiten. Diese Sage berichtet weiter dass die neun Schmiedegötter eine Schwester hatten von der sie das Schmieden gelernt hätten. Ihr Name war Eilik Mulik, sie brachte den Menschen das Feuer und soll noch heute umherwandern und mit Feuerfunken die Dämonen vertreiben.
Der Schmiedekult steht bei vielen sibirischen Völkern in Verbindung mit dem schamanistischen Berg- und Feuerkult.
Dem Schmied, dem seine beruflichen Fähigkeiten eine besondere soziale Stellung verliehen, schrieb man ähnliche spirituelle kräfte zu wie dem Schamanen. Hier handelt es sich wohl um religiöse Vorstellungen, die wohl ursprünglich mit dem Feuerkult und seinen erwähnten jenseitigen Meistern verknüpft waren. Jene geister die dem Schamanen zu seinem neuen Körper, nach der schamanistischen Initation verhalfen stellte man sich oft als „Geistschmiede“ vor (der Körper des Schamanen wird neu „geschmiedet“).
Da sie Meister über das Feuer waren konnten die Schmieden dem Schamanen gefährlich werden und seine seele im Schmiedefeuer brennen lassen. Wie der russische Ethnologe Potapov in seinen Feldforschungen über die nordsibirischen Dolganen berichtet, versteckten die Schmiede ihre seelen in der Glut der Schmiedeesse und konnten sie so dem Zugriff des Schamanen entziehen.
Schmiede und Schamanen sind aus dem selben Nest“, sagt ein jakutisches Sprichwort. Ein weiteres sagt „die Frau eines Schamanen ist achtbar, die eines Schmiedes verehrungswürdig“, dies rührt wohl daher dass man die Frau des Schmiedes in Verbindung mit Eilik Mulik brachte.
Nach A. Popov, einem Völkerkundler, können die Schmiede heilen und die Zukunft voraussagen.
Nach den Mythen der Jakuten hat der Schmied sein Handwerk von der „bösen“ Gottheit K`daai Maqsin, dem obersten Schmied der Unterwelt. Dieser haust in einem Haus aus Eisen, das mit Eisensplittern umgeben ist. K`daai Maqsin ist ein berühmter Meister, er repariert die gebrochenen oder amputierten Glieder der Heroen. Einmal nimmt er an der Initation der berühmten Schamanen der anderen Welt teil und härtet ihre Seelen wie er das Eisen härtet (2)“.
In seinem Buch „Weltanschauung und Schamanismus der Alaren Burjaten“ berichtet Garma Sandschejew das nach dem Glauben der Alaren-Burjaten die neun Söhne des himmlischen Schmieds (Boshintojs), auf die Erde herabstiegen um die Menschen die Metallurgie zu lehren. Ihre ersten Schüler waren die Ahnen der heutigen Schmiedefamilien bei den Alaren-Burjaten.
Nach einer anderen Legende schickte Weiß-Tängri (Tengrismus) selbst den Boshintoj mit seinen neun Söhnen auf die Erde, damit er den Menschen die Kunst der Metallbearbeitung beibrachte. Boshintojs Söhne heirateten Erdentöchter und wurden so die Ahnherrn der Schmiede. Nach Auffassung verschiedener sibirischer Völker kann niemand Schmied werden der nicht von diesen Familien abstammt.
Sandschejew berichtet auch über „schwarze Schmiede“ die sich ihr Gesicht mit Ruß verfärben und bei der Bevölkerung gefürchtet seien. Die schamanistische Schmieden haben ihre besonderen Riten.
So gibt es ein Ritual bei dem ein Pferd geopfert wird. Die Seele des geopferten Pferdes reist zum himmlischen Schmied Boshinto auch hier haben wir die Jeseitsreise des Schamanen in Verbindung mit einem Opfertier. A. Popov beschreibt eine Seance, in der ein Schmied von einem Schamanen geheilt wird. Die Krankheit des Schmiedes war von dessen „Geistern“ verursacht. Man opferte einen schwarzen Stier für K`daai Maqsin und bestrich die Werkzeuge des Schmiedes mit Stierblut. Sieben Männer zündeten ein großes Opferfeuer an und man warf den Kopf des Stiers in die Glut. Nun begann der Schamane seine Beschwörung und reiste zu K`daai Maqsin. Die sieben Männer holten den Stierkopf aus dem Feuer legten ihn auf den Amboß und schlugen mit den Hämmern darauf. Hier haben wir ein symbolisches Schmieden des „Kopfs“ des Schmiedes ähnlich den Initationsträumen künftiger Schamanen.
Die Spiritualität der Schamanenschmiede finden wir auch bei den japanischen Schwertschmieden.
In seinem Buch „Zen und die Kultur Japans“ schreibt D.T. Suzuki... „Es ist zu beachten, dass der Schwertschmied, wenn er ein Schwert zu fertigen hatte, die Hilfe eines schirmenden Gotttes anrief. Um ihn in die Werkstatt einzuladen, umschließt der Schmied diese mit geweihten Seilen und verhindert damit das Eindringen böser Geister. Dann vollzieht der Schmied an sich selber die Reinigungsgebräuche und legt die Zeremonialkleidung an, in der er seine Arbeit verrichtet. Während der Eisenbarren gehämmert und mit Feuer und Wasser geläutert wird, befindet sich der Schmied und seine Gehilfen in der höchsten inneren Spannung. Im vertrauen auf den Beistand des Gottes, der ihrem Werk zuteil werden soll, strengen sie sich bis zur äussersten Grenze ihrer Seelen-, Körper und Geisteskräfte an. Das Schwert, das so geschaffen wird, ist in Wahrheit ein Kunstwerk und muss etwas vom Geist seines Schöpfers widerspiegeln (3)“.





Woher habt ihr das Wissen?“

Von den Alben, den Elben, den Kelten!“ sagte Wielands Lehrmeister. „Sie haben uns die Geheimnisse weitergegeben. Sie sind die, die auf den Heiden der abgeholzten Waldflächen ihr Eisen bearbeitet haben und deshalb nennt man sie auch Heiden. Sie haben die Natur beobachtet und sehen, was die Natur mit ihren Schätzen macht. Sie haben die Natur genommen und sie sorgsam eingesetzt, um ihr noch bessere Schätze abzuverlangen.“
Aus: Wieland der Schmied.

Menschen des Mittelalters kommen aus einer sehr fernen Zeit zu uns. Zwar können wir die Geschichte ihrer Wirkung bis in unsere Zeit verfolgen, doch die Person bleibt uns eher verborgen. Nur wenig Gesichertes ist über das Dasein der Menschen des frühen Mittelalters bekannt und man muss es mühevoll aus spärlichen Überlieferungen, alten Urkunden und Weistümern erschließen.
Als der englische Benediktiner Thomas Marleberge in den 1220er Jahren die lateinische Chronik seines Klosters Evesham schrieb, stellte er ihr eine Legende des Klostergründers voran, des 717 gestorbenen Bischofs Egwin von Worcester. Thomas verwendete dabei eine Schriftfassung von etwa 1125, deren mündliches Vorbild aus dem 10. Jahrhundert stammt. Diese alte Überlieferung aus dem 7. Jahrhundert ist eine der ältesten schriftlichen Belege in der über sogenannte Heideschmieden berichtet wird. Auch in den alten Flurnamen und Waldortnamen begegnet uns das Wort Heideschmiede heute noch.
Was ist eine Heidenschmiede?
Die alten Heiden- und Waldschmieden befanden sich bis ins 8. Jahrhundert hinein meist in abgelegenen Waldgebieten und fern menschlicher Siedlungen denn solch eine Schmiede benötigte im Frühmittelalter noch wenig Wasserkraft. Was sie vor allem brauchten war Holz für Holzkohle herzustellen. Und der Bedarf an Holz war gewaltig und schon nach wenigen Jahren der Arbeit war ein Wald abgeholzt. Das Erz das für die Eisenschmelze benötigt wurde schürfte man in der Regel an Ort und Stelle im Übertagebau (Raseneisenerz) und ging nur wenige Meter tief unter die Erde. Man brachte in diesen Zeiten das Roherz nicht an weit entferne Orte zur Verhüttung. Diese Heiden- und Waldschmelzhütten arbeiteten mit dem Rennfeuer das schon seit der Antike genutzt wurde. In einer Grube oder einem täglich neu entzündeten Ofen wurde das Erz, mit Holzkohle vermischt, erhitzt und ausgeschmolzen. Der teigige Eisenblock wurde am Ort ausgeschmiedet und verschweißt. Diese Arbeit war Gruppenarbeit. Köhler, Eisenscheider (Leute die am Ofen arbeiteten) und Schmiede arbeiteten Hand in Hand. War der Erzvorrat erschöpft oder die zur Verfügung stehenden Bäume abgeholzt zogen sie weiter. Eine Standortgebundene Tätigkeit für den Schmied war nur möglich, wenn vor Ort hinreichende Rohstoffe zur Verfügung standen und wenn genügend Nachfrage für die Erzeugnisse vorhanden war z.B. an Königshöfen oder größeren Ortschaften. Daher war der Schmied des Frühmittelalters in der Regel ein Wanderhandwerker der seine Dienste je nach Bedarf anbot.
Im 12. Jahrhundert wandelte sich die Einstellung zum Eisen langsam. Man begann intensiv nach Erzvorkommen zu suchen. Auch die technische Ausrüstung verbesserte sich. Erzabbau unter Tage, Neuerungen im Schmelzverfahren, Nutzung der Wasserkraft für Blasebalg und Großhammer kamen auf. So das der Franziskaner Mönch Bartholomaeus Anglicus um 1240 schreiben konnte: In mehrerlei Hinsicht ist Eisen für den Menschen nützlicher als Gold, obwohl habsüchtige Menschen Gold lieber haben. Denn ohne Eisen kann der Staat nicht sicher leben. Ohne Furcht vor Eisen ist man vor Feinden nicht sicher. Mit Eisen wird das gemeine Recht geübt, die Unschuld geschützt, die Frechheit der Bösewichter gezähmt. Ohne Eisen kommt fast kein Handwerk aus, kann kein Haus gebaut, kein Feld bestellt werden.“

Im 20. Jahrhundert schrieb der Kunstschmied Julio Gonzalez, ein guter Freund Picassos: „Die Eisenzeit hat vor Jahrhunderten (leider) damit begonnen,Waffen hervorzubringen, darunter einige sehr schöne. Heute ermöglicht sie darüber hinaus den Bau von Brücken, Industriegebäuden, Eisenbahngeleisen usw... Es wird höchste Zeit, dass dieses Material aufhört, mörderisch zu sein oder lediglich ein Rohstoff für die mechanisierte Wissenschaft. Die Tür steht heute weit offen,damit dieses Material das in den Bereich der Kunst eindringt, von friedlichen Künstlerhänden gehämmert und geschmiedet werde“.





Lit.Hinweise:
Hans Findeisen: Die Schamanen.
Heinrich Zimmer: Abenteuer und Fahrten der Seele.
Alfred Stolz: Schamanen- Ekstase und Jenseitssymbolik.
Brentjes, Vasilievsky: Schamanenkrone und Weltenbaum.
Potapov l.P.: Die Schamanentrommel bei den altaischen Völkerschaften.
Mircea Eliade: Schamanismus.
Zelenin: Die animistische Philosophie des sibirischen Schamanismus.
Garma Sandschejew: Weltanschauung und Schamanismus der Alaren Burjaten.
D.T. Suzuki: Zen und die Kultur Japans.
Kalevala: Das finnische Epos.



1. Heinrich Zimmer: Abenteuer und Fahrten der Seele.
2. Mircea Eliade: Schamanismus.
3. D.T. Suzuki: Zen und die Kultur Japans.


hukwa