Sonntag, 6. Januar 2019

Am besten wenn er weint... oder als Ritter Reyner von Hohenecken seine Leibeigene verkaufte

rustica gens est optima flens, sed pessima gaudens“ 
 
Foto©UteKW

Im Breidenborner Kopialbuch das Aufzeichnungen aus der Zeit von 1288 bis 1430 enthält finden sich folgende Niederschriften:

Ritter Reyner von Hohenecken und seine Frau Demud bekunden, das sie ihren Leibeigenen (arman) Peter von Ransweiler für 8 Pfund Heller Philipp von Breitenborn verpfändet haben. Falls die Aussteller den Leibeigenen wieder einlösen, sollen sie erst nach Monatsfrist in ihre Rechte eintreten.
Siegler: Aussteller.
Datum: 1383 feria quarta proxima post dominicam Reminiscere.

Rittter Reinhart von Hohenecken verkauft dem Edelknecht Philips von Breidenborn und Ecke von Kaiserslautern seinen Leibeigenen (armen manne) Huck Scheffer von Breitenau mit Frau und Kindern, die ihm bei der Erbteilung mit seinem Bruder Beymond zugefallen sind, und behält sich allein für seine Person den Wiederkauf mit 10 rheinischen Gulden vor.
Siegler: Aussteller.
Datum: 1387 die nonas Junni.

Ritter Sifrid von Wildenstein tauscht mit Demude von Breidenborn seinen Leibeigenen (der mir zugehörig) Hans Franck gegen deren Leibeigene Katherine, Tochter des verstorbenen Huge Schefer von Neukirchen.
Siegler: Aussteller.
Datum: uff den dinstag vor unser frauwen dag keritzewyhe 1393.

Solche Aufzeichnungen fern jeglicher mittelalterlicher Romantik zeigen uns ein realistisches Bild vom „Glanz und Elend“ (Ferdinand Seibt) des Mittelalters. Denn das Mittelalter war letztendlich nichts anderes als die Geschichte von Mangel, Elend, Krankheit und Hunger.
Der Adel repräsentierte, vor allem in der ländlichen Welt, die öffentliche Autorität. In fast allen Teilen Europas stellte der örtliche Grundherr oder ein von ihm beauftragter Vertreter für die in seinem Herrschaftsbezirk lebenden Menschen praktisch die Regierungsgewalt vor.
Bestimmt haben die Leibeigenen geweint wenn sie oder ihre Kinder verkauft wurden doch ihre Herrschaft hat dies nicht gestört.

Rustica gens est optima flens, sed pessima gaudens“ (Der Bauer ist am besten,wenn er weint, und am schlechtesten wenn er lacht), war ein geflügeltes Wort des Mittelalters. Der Leibeigene galt als ein Untermensch, als ein eher dem Tierreich als der Menschheit zuzurechnendes Lebewesen oder, wie ein bayerischer Beamter es noch 1737 ausdrückte, als Kreuzung zwischen Tier und Mensch.
Die Ursprünge der Leibeigenschaft lassen bis in die unruhigen Zeiten der Spätphase des römischen Reiches zurückverfolgen, als kleine, freie Pachtbauern sich unter den Schutz mächtigerer Herren stellten und Sklaven durch die Ausstattung mit Parzellen zu hörigen Bauern wurden. Die Wirren der darauffolgenden Jahrhhunderte stärkten die Herrschaft der adligen Herren, immer mehr Bauern wurden als Unfreie eingestuft und bis zum 10. Jahrhundert waren die meisten Bauern Hörige geworden.

Der Philosoph und Historiker Christoph Helferich bezeichnete in seiner „Geschichte der Philosophie“ das Mittelalter als „barbarische Übergangszeit“ und der englische Historiker Toynbee sprach über diese Epoche von einer Zeit „tiefen Schlafs“.
Das heute oft unrealistische Bild des Mittelalters hat nie existiert. Mittelalter Romantik beruht auf dem rückwärtsgewanten Weltbild der deutschen Romantik. Wenn Novalis schrieb: „Es waren schöne glänzende Zeiten, wo Europa ein christliches Land war, wo Eine Christenheit diesen menschlich gestalteten Weltteil bewohnte,“ ist dies eine absolut falsche Wiedergabe dieser dunklen Epoche. Vor allem die falsche Auslegung der christlichen Lehre durch die Herrschenden und den Klerus trug zu den Unmenschlichkeiten bei. Die Kirche lehrte das die Innerlichkeit die Wesensbestimmung des Menschen sei was bedeutet dass der Mensch sich von allen äußerlichen abkehren soll um wahrhaft Mensch zu sein. Die Folge einer solchen Einstellung muss Verhängnisvoll sein, denn das Bewusstsein das der Mensch für die Gestaltung der Welt verantwortlich ist kommt gar nicht erst auf und die Welt „schläft“ weiter.
Ein freies Personenbewusstsein wie wir es heute kennen gab es damals nicht, daraus ergibt sich für den mittelalterlichen Menschen der ständige Zwiespalt zwischen Glauben und Realität. Und dieser Zwiespalt beherrscht das ganze Mittelalter.
Geschichte und Geschehen sind durch drei Konstanten in der Geschichtsforschung festgelegt:
durch den Ort, durch die Zeit und durch den Menschen. Den der Mensch ist in seine Epoche hineingeboren und ob er will oder nicht – er muss sich mit dieser Zeit auseinandersetzen!
Papst Innozenz III. (1198 – 1216) schrieb in seinem Werk „Über das Elend menschlichen Daseins“... „Wer gibt meinen Augen den Tränenquell, dass ich beweine den bejammenswerten Eintritt in die Bedingungen menschlichen Daseins, beweine das schuldhafte Fortschreiten menschlichen Lebens, beweine das verdammenswerte Ende menschlicher Vernichtung?“
Er beschreibt die Stufen von Geburt, Leben und Tod wie man im Mittelalter wohl darüber dachte:
Geschaffen ist der Mensch aus Staub, aus Lehm, aus Asche, und was nichtswürdiger ist: aus ekeleregendem Samen. Empfangen ist er in der Geilheit des Fleisches, in der Glut der Wollust, und was noch niedriger ist: im Sumpf der Sünde. Geboren ist er für die Furcht, für den Schmerz, und was noch elender ist: für den Tod“.
Eine starke Trostlosigkeit geht von dem Traktat Innozenz III aus doch es gibt noch einige Texte aus dieser Zeit in der die damalige Welt als „Jammertal“ beschrieben wird.
Im Mittelalter war die Zahl der Menschen die keine Rechte besaßen, wie Leibeigene und Unfreie, sehr hoch gewesen. Da sie Rechtlos waren wohnten sie in der Regel auf dem Hof des Grundherrn, sie durften das Gebiet ihrer Herrschaft nicht verlassen, wenn sie eine Ehe eingehen wollten mussten sie bei ihrem Herrn die Erlaubnis einholen.
Die der Leibherrschaft unterworfenen Leibeigenen waren zusätzlich zur Leistung von Leibzins verpflichtet. In den Augen seiner Herrschaft war der Leibeigene keine Person, sondern eine Sache, ein Teil der beweglichen Habe seines Besitzers.
Tausend Jahe lang stellten Leibeigenschaft und das Fehlen persönlicher Freiheit die Daseinsbedingungen der Mehrzahl der europäischen Landbewohner dar. Sie gehörtem jenem gesellschaftlichen Stand an, der als Bauernschaft bekannt ist. Durch den Zufall der Geburt dieser niedrigsten Schicht zugehörig, waren sie von Rechten, Privilegien und Freiheiten ausgeschlossen, die den anderen Ständen zukammen. Sie waren dazu verurteilt, in Abhängigkeit von denen zu leben, die im sozialen Gefüge über ihnen standen, ihnen zu gehorchen, ihnen Abgabe und Dienste in Form von barer Münze, Naturalien und Arbeitskraft zu leisten.
Erst im 18.Jahrhundert als der „Altweibersommer des europäischen Adels“ begann kam auch das Ende der Leibeigenschaft.

hukwa










Literaturhinweise:
Rössler: Sachwörterbuch zur Deutschen Geschichte.
Breidenborner Kopialbuch 1288 – 1430.
Ferdinand Seibt: Glanz und Elend des Mittelaters – eine endliche Geschichte.
Theodor Schieder: Handbuch der europäischen Geschichte.
Wilhelm Volkert: Adel bis Zunft – Lexikon des Mittelalters.
Papst Innozenz III: Über das Elend menschlichen Daseins.
Archiv von Herrn Geißenbauer.
Die Hohenecker: H.Wagner. Eart art blog.