Mittwoch, 22. Mai 2013

Vom alten Wegerecht im Pfälzerwald

Im Heimatjahrbuch des Landkreises Kaiserslautern von 1984 beschreibt Lothar Keller den „Landauer Weg“ in Trippstadt als eine alte Verkehrsverbindung die von Landau über Albersweiler, Eußertal, Hochstett, „Tribstatt“ und „Hohneck“ nach „Kayserslautern“ führte. Keller bezieht sich in seinem Artikel auf Daniel Häberle der eine „Geleitstraße“ beschrieb die von der „Vorderpfalz direkt über die Höhen des Pfälzerwalds führte und nach dem Landauer Vertrag von 1612 diese von Germersheim durch Albersweiler auf Eußertal und Lautern zog“.
„Diese alte Straßenverbindung hat sich zwischen Eußertal und Johanniskreuz in Richtung Kaiserslautern, in ihrer Führung nochmals geändert, zumal man erst im späten Mittelalter Verkehrswege von den Höhen auch in die Täler verlegte“.
Was mich besonders an diesem Artikel interessiert hat war das Wort „Geleitstraße“. Denn: Wo eine Geleitstraße war, musste es auch ein Geleitrecht gegeben haben. Was ein solches Geleitrecht war darauf möchte ich hier ein wenig näher eingehen.
Ein Teil dieser mittelalterlichen Geleitstraßen ist zweifelsohne römischen Ursprungs. Es waren die Römer die große Heer- und Handelsstraßen anlegten. Aber im Mittelalter wurden auch neue Straßen angelegt.
Im hohen Mittelalter war das Geleitrecht Regalie, die aber im Spätmittelalter sich mehr und mehr von der sich bildenden Landesherrschaft in Anspruch genommen wurde, teils durch Übertragung als Lehen, teils aus eigenem Recht wahrgenommen. Durch das Statum in favorem principum – Statut zu Gunsten der Fürsten – wurde 1231 das Geleitrecht durch den König den Fürsten in Ihrem eigenen Territorium als Recht zugestanden. Gleichwohl kam es immer wieder zu Streiten, wem den ein konkretes Geleitrecht zustehe. Mit dem Reichstagsabschied von 1548, wurde das Geleitrecht den Landesherren endgültig übertragen, sie aber auch verpflichtet, die Sicherheit in ihrem Territorium zu gewährleisten. Das Geleitrecht war natürlich ein gutes Einkommen für die Landesherren, Straßen waren im Mittelalter also bares Geld wert.
Um die Verwaltungsmittelpunkte Kaiserslautern und Burg Trifels zu sichern wurden im 12/13 Jh. zahlreiche Reichsburgen erbaut. Diese Burgen mussten durch ein Weg- und Straßennetz miteinander verbunden werden. Diese Reichsburgen darunter Hohenecken, Wilenstein, Beilstein und Frankenstein in unserem Raum dienten neben militärischen Zwecken auch Verwaltungsaufgaben und wurden zu Zentren für die Anlage von neuen Siedlungen und Klöstern. Es war die große zeit der Burgenpolitik. Diese war ja nichts anderes als Macht und Herrschaftspolitik. Von jeder Burg aus sollte Herrschaft durchgesetzt werden. Die Anlage einer Burg bedeutete Fuß fassen einer Herrschaft oder Dynastie. Deshalb ist Burgenpolitik auch ein wesentliches Element beim Entstehen der Staatlichkeit im hohen und späten Mittelalter gewesen. Die Entstehung und Durchsetzung der Landesherrschaft und deren Ausbau zur Territorialhoheit sind untrennbar mit der Burgenpolitik verbunden. Die Träger dieser Burgenpolitik waren König, weltliche und geistliche Fürsten, geistliche Orden, Vasallen, Ministeralien und Burgmannen.
Die wichtigste Verbindung der Burgen und Klöster untereinander waren die wege und Straßen. Diese unterlagen wiederum besonderen Gesetzen und Rechten, nämlich dem Geleitrecht.
Beim Geleitrecht unterscheidet man ein „allgemeines Geleit“ welches einen jeden vor Unsicherheit und Schaden beschützt, und ein besonderes, welches wenn große Herren durch ein Land reisen ausgeübt wird. Zu den letzteren rechnete man auch das Geleit der Goldenen Bulle von 1536: zu dem alle Stände verpflichtet waren, in dem sie „nemlich die Churfürsten oder ihre Gesandten wann sie nach der Kaiserlichen Wahlstatt reisen“, um dort bei der Königswahl zugegen zu sein, schützten. Wichtiger allerdings war das allgemeine Geleit. Es „erstreckte sich selbiges auf alle Reisende, die es benöthigen“.
Durch das Gebiet unseres Landkreises, zieht die bedeutende West – Ost Verkehrsader, die schon im Mittelalter als „strata regia“ bekannt war. Diese Straße mit ihren Endpunkten in Metz und Mainz besaß als Heer- und Handelsstraße eine wichtige überregionale Bedeutung. Was schon daraus hervorgeht das allein im Zeitraum eines halben Jahrhunderts an dieser Straße in einem Abschnitt von knapp 60 Kilometern drei Klosterniederlassungen mit Hospitälern gegründet wurden, die für die Reisenden und Pilger zu sorgen hatten. So übertrugen 1212 die Grafen von Saarwerden dem Kloster Werschweiler ein Hospital in Vogelbach.
Das Geleitrecht in unserem Gebiet, vor allem im Oberamt Lautern oblag vor allem den Herren von Hohenecken, deren Bedeutung man nicht unterschätzen darf. Dieses Geschlecht stellte nicht nur auf Jahrzehnte die Schultheißen von Lautern sondern hatte auch für einige Zeit die Verwaltung des Trifels und somit der Reichskleinodien unter sich. Auch die Grafen von Leiningen hatten ein Teil des Geleitrechts unter sich.
Aus dem Jahre 1738, knapp 60 Jahre vor dem Ende des Geleitwesens überhaupt ist eine „Bestandsaufnahme“ des Geleits im Oberamt Lautern erhalten. Dieser Bericht gehört zu einer umfangreichen Zusammenstellung aller Geleitsgerechtsamen im gesamten kurpfälzischen Territorium. Die einzelnen Oberämter wurden in einem Schreiben vom 24. Mai 1738 von der Regierung i8n Mannheim aufgefordert, „besondere Protocolle... über alle vnd gelaiths auf – vnd abführungen...mit anmerkungen... von dem Gelaiths Directore vndt Reuthern... ad Registraturam Satrapialem“ zu hinterlegen.
Da ich bisher über das Geleitrecht im Mittelalter nur sporadisch fündig geworden bin gebe ich einmal wieder was das im Jahre 1735 erschienene „Universallexikon aller Wissenschaften und Künste“ von Johann Heinrich Zedler berichtet, schließlich ist dies ein zeitgenössischer Bericht über das Geleit. Dieses Werk beschäftigt sich eingehend mit allen „Staats-, Kriegs-, Rechts-, Polizey- und Haushaltungsgeschäften des Adels und Bürgerlichen Standes“. Zedler versteht unter Geleit „alles das was die hohe Landes Obrigkeit zu sicherer und bequemer Geleitung der im Lande Reisenden, sonderlich aber deren Handelsleute verordnen und schaffen muss, es geschehe nun mit Beschützung derer Straßen vor Raubung und Plackerey oder mit Erhaltung derer Straßen selbst, derer Brücke, derer Dämme..., dass man darauf mit Fahren und Wandeln...fortkommen kann.
Es gab auch Personen denen man kein Geleitrecht zusagte. Dazu gehören nach Zedler:

  1. die Landfahrer, Marck – Schreier, Singer und Reimensprecher, die sich der Artzney unterstehen und die mit keinem Grund gelernet.
  2. Welche im gemeinen Frieden im Reich Teutscher Nation in Religion und Profan Sachen brechen.
  3. Mörder, Straßen und Seeräuber.
  4. Zottirer (= Herumschlenderer), Herrenlose Knechte und Landläuffer.
  5. Starcke, gesunde und müßige Bettler.
  6. Die Zigeiner.
  7. Verlauffene Unterthanen.
  8. Müntzfälscher und deren Verhehler.
  9. Offenbare Feinde, Verräthrt, Kundschaffter und überläuffer, besonders wenn sie dem Türcken und anderen Reichsfeinden beyrätihg sind.
  10. Die Banniten (sic!) und Achter des Reichs.


Die Grenzen der Geleitstraßen sollten besonders gekennzeichnet sein, wie Zedler angibt. Geleitsteine „woraus zu sehen, wie weit solche Herrlichkeit (= Geleitrecht der Fürsten) gehet“, sollten von den benachbarten Geleitsherren gemeinsam gesetzt werden. Es waren dies meist „gewöhnliche steinerne Creutze, daran des Geleits – Herren Wappen samt der Jahreszahl und das Wort Geleit gehauen wird. Bisweilen setzte man in die Geleitsgränzen hohe Steine oder steinerne Säulen oder höltzerne Bild – Stöcke“. Im Oberamt Lautern wird ein solcher „Gräntzstein“ auf der Strasse von Alsenborn im Göllheimer Wald an der Nassau – Weilburgischen Territoriumsgrenze erwähnt, während zur Herrschaft Sickingen „ein Brückel bei Kinschbach“ die Geleitsgrenze bildete.
So kündet in Johanniskreuz das „Herr Johannes Kreuz“ von 1273 das die Wappen der Ritter von Hohenecken und Wilenstein trägt vom mittelalterlichen Geleitsrecht: Die Hohenecker hatten das einträgliche Straßengeleitsrecht hier inne, während die Wilensteiner hier Besitzungen hatten. Dieser Stein war Grenzstein und Geleitstein zugleich, auch kann man davon ausgehen dass viele sogenannter „Sühnekreuze“ eigentlich Geleitsteine sind. Wir werden noch anhand einiger Urkunden erfahren wie wichtig und ausführlich das Geleitrecht in unserer Region ausgeführt wurde.



Das Geleit selbst konnte auf zweierlei Arten ausgeführt werden. Das sogenannte „schriftliche Geleit“ wurde Reisenden während des ganzen Jahres erteilt, indem man ihnen einen „Geleitbrief“ ausstellte, der ihnen das Recht gab, durch das Land „mit Sicherheit zu reisen“. In den Zeiten der Franfurter Messe wurde den Kaufleuten das „lebendige oder persönliche Geleit“ durch herrschaftliche Diener gegeben. Die Stärke dieser Geleitmannschaften war zu gewissen Zeiten recht unterschiedlich. Waren es im Normalfall nur einige, meist berittene Mann, zu denen oftmals ein Trompeter gehörte, so erreichte ihre Zahl bei Unruhen und „Kriegsläufften“ manchmal die Hunderte grenze. Vor der Aufführung des Geleits musste der Geleitsherr dafür sorgen, dass die Straßen „vor Rauberey und Plagerey“ geschützt waren. Berittene Streifen mussten versuchen, die Gegenden der Geleitstraßen von Gesindel und Räubern zu säubern. Bei Überfällen wurden die Untertanen der umliegenden Dörfer durch Glockenläuten zusammengerufen, um die Sicherheit wieder herzustellen und die Räuber zu verfolgen. Von solchen Aktionen berichten die kurpfälzischen Akten des 17. und 18. Jahrhunderts mehrfach, denn der Geleitsherr musste für Verluste, die dem Reisenden unter seinem Geleit zustießen, Schadensersatz leisten. So unterbreitete im Jahr 1780 das Oberamt Oppenheim der Regierung in Mannheim den Vorschlag, ein Wäldchen, das Räubern immer wieder Unterschlupf bot, niederhauen zu lassen, um damit eine größere Sicherheit für die Geleitsführung zu erreichen.
Einem Bericht des Lauterer Oberamtes vom 11. Juni 1738 von den kurfürstlichen Beamten heyler und Diel nach Mannheim abgeschickt über die Geleitstrecke zur Frankfurter Fasten- und Herbstmesse entnehmen wir...“bishero exercirt worden seyen“, heißt es hier, dass „über das auf- und abführende Geleit jedesmahl besondere protocolla“ geführt werden mussten. Diese wurden nach dem Ende der Meßzeiten vom Geleitsdirektor unterschrieben und „ad registraturam Satrapialem“ geschickt und dort hinterlegt.
Die eigentliche Geleitstraße in unserem kurfürstlichen Oberamt ist die alte „strata regia“, die heutige Kaiserstraße. Sie begann am „Brückel hinder dem Sickingschen Dorff Kinschbach“. Hier wurden die Kaufleute und andere Reisende „von hochfreyherrlicher Sickingscher seithen“ übergeben, die sie ihrerseits an der westlichen Grenze des eigenen Territoriums von Pfalz – Zweibrücken empfangen hatten. Die Aufnahme in das kurpfälzische Geleit geschah unter der Vornahme bestimmter Zeremonien, wie uns aus den Berichten anderer Oberämter mitgeteilt ist, im Oberamt Lautern aber verschwiegen sind wohl weil man sie als Selbstverständlichkeit ansah. Das wichtigste aber war die Bezahlung einer bestimmten Summe, deren Höhe sich nach der Anzahl der Personen, nach ihrem mitgebrachten Handelsgut und nach der Art ihres „Verkehrsmittels“ richtete. Dieses Geleitsgeld ist nicht mit dem Zoll gleichzusetzen, es ist allerdings zu erwähnen, dass im 18. Jahrhundert der Unterschied zwischen beiden Abgaben oftmals unkenntlich wird und man vielfach von einem „Geleitzoll“ spricht.
Von der Brücke bei Kindsbach zieht die Kaufmannschaft unter dem Schutz der Geleitreiter nach Einsiedeln (Einsiedlerhof – Kaiserslautern). Auffallender Weise heißt es nun in der Beschreibung: „durch Einsiedel reitet man unten über den Damm nachher Ramstein vdn von dannen durch Kübelberg und so weiter forth biß an die Zweibrückischen Gräntzen zwischen Kübelberg und Waldmohr, allwo zwarn das Pfaltz – Zweybrücksche geleith nie erschienen. Nach solchem reuthet man auf Alßenborn und von dar weiters bis in die helft des gellheimer waldts zum Gräntzstein,... zurück durch Alßenborn und Lautern biß ahn das Brückel bey Kinschbach,, allwo den hochfreyherrlich sickingschen daß wider abführende geleith überlieffert wird. Anschließend ziehen die Geleitsmänner erneut durch Einsiedeln und von dort über den Damm nach Ramstein und Kübelberg, biß auf die Zweibrückische Gräntzen onweit Kübeberg, womit sich dan das geleith endigt“. Es ist nicht sonderlich schwer zu erraten, warum dieser Umweg von Einsiedeln nach Waldmohr benutzt wurde. Man wollte damit das Sickingsche Territorium „umbfahren“, um so wohl die Einnahmen des dortigen Geleits zu schmälern. Auf alten Karten ist dieser Weg noch eingetragen.
Eine bemerkenswerte Lauterer Einrichtung wird uns in dem Geleitsbericht noch überliefert. Nähert sich der Geleitsreiter des Oberamtes Lautern der Deutsch Orden Einsiedel, dann erhielten sie ein „Imbs vnd vor die Pferdt ein halbes Malter Habern“. Die Deutsch Ordens Knechte mussten ihnen die Tore öffnen nachdem die „Geleitesreuther zuforderst ein pistohlschuß“ abgefeuert hatten. Dieser Brauch beruhte auf einer alten Gerechtsame, die auf die Aufgabe der Deutschherren, Pilger und Reisende zu unterstützen, hinweist.
Im Lauterer Urkundenbuch herausgegeben von Martin Dolch und Michael Münch finden sich einige Urkunden über das Geleitrecht, Geleitbrief, Geleitschutz und Geleitgeld, eine davon sei hier wiedergegeben:
Lautern den 24. August 1334 (also ein Jahr nach dem Landfrieden von Kaiserslautern)

Die Brüder Simon (II.) und Eberhard (II.), Grafen von Zweibrücken und Herren zu Bitsch, verbinden sich Baldewin, Erzbischof von Trier und Pfleger der Stifte Mainz und Speyer, auf dessen Lebenszeit zu Hilfe und Dienst gegenüber jedermann, soweit es ihre Ehre zulässt, mit acht wohl bewaffneten Reitern, auf seine Kosten und gegen Schadenersatz. Bei Auseinandersetzungen mit Untertanen des Erzbischofs werden sie ihr Recht nur in einem Gericht aus ebenbürtigen Lehensmannen Baldewinns suchen. Sie werden nichts zum Schaden des Erzbischofs und der Seinen unternehmen und die Landstraßen und die Kaufleute schützen. Sie haben den gemeinen Landfrieden zu Lautern beschworen und wollen mit einem Kontigent von 10 Bewaffneten zu seiner Durchsetzung beitragen. Siegler: die Aussteller.
hukwa



Literaturverzeichnis:

Gebhard Weig: Das ius conducendi der Bischöfe zu Würzburg. Eine Studie zur Rechtsstruktur, politischer Funktion und Organisation des Geleitrechres. Würzburg 1970.
A. Neubauer: Regesten des Klosters Werschweiler. Speyer 1911 Nr. 28, 29
K. Schwingel: Die Bedeutung der Straße Metz – Mainz im Nassau – Saarbrückischen Reichsgeleit. In Geschichte und Landeskunde 1960.
Kurt Andermann: Ritter – Edelknechte – Amtleute Pfälzer Heimat 1985 Heft 1.
Karl Bosl: Die Reichsministerilität der Salier und Staufer...Wiesbaden 1978.
Ludwig Hans: Burgenpolitik und Herrschaft, untersucht an ostpfälzischen Beispielen des 13. Jahrhunderts. Pfälzer Heimat Heft 1. 1984
Rudolf Fendler: Über das kurpfälzische Geleitwesen im Oberamt Lautern. Heimatkalender des Landkreises KL. 1966.
Hubert Zintl: Johanniskreuz- Eine Forst- und Waldgeschichte 2006.