Sonntag, 26. Mai 2013

Die Magie des Wanderns

Meditatives Wandern ist nichts anderes als Meditation im Gehen. Diese Technik ist nicht modern, sondern eigentlich schon recht alt. Die Zen Mönche Japans benutzten dafür den Ausdruck Kinhin und die Taoisten im alten China gebrauchten die Wörter WuWei dafür, was in etwas bedeutet – „Kein Handeln wider die Natur“. Ein buddhistischer Mönch sagte einmal: „das wahre Wunder besteht nicht darin, auf dem Wasser zu wandeln, sondern auf der Erde zu gehen“.
Ich habe meditatives Wandern viele Jahre geübt bevor ich mir erlaubte diese Technik an andere weiter zu geben! Und ich muss gestehen, ich übe immer noch!
Die meisten Menschen wissen gar nicht, dass sie viel mehr laufen als sie selbst annehmen, weil sie einfach nicht bewusst gehen!

Was ist also der Schwerpunkt beim meditativen Wandern?
Es ist unsere Aufmerksamkeit. Wenn unser Schwerpunkt in unserem Kopf liegt, dann schweifen wir ab. Wir sind nicht wachsam, nicht voll konzentriert auf den Augenblick! Verlagern wir unseren Schwerpunkt auf den Bauch, fällt er zusammen mit unserem körperlichen und unserem geistigen Schwerpunkt. Dann fällt unser Tun mit unseren Gedanken in einem Punkt zusammen. Dann leben wir im Moment, im momentanen Schritt.

Wie verlagere ich nun meinen Schwerpunkt?
Der menschliche Organismus lebt in einem natürlichen Spannungsbogen. Nach der Anspannung folgt die Entspannung, die Regenerierung und Erholung. Dieser natürliche Spannungsbogen ist bei vielen Menschen gestört, sie bleiben im Spannungsbereich, in einer Dauerspannung. Die notwendige Erholung und Regeneration des Organismus, die zu einem ausgeglichenen Leben gehört, ist nicht mehr ausreichend gesichert. Der Mensch gerät dann aus seinem „Gleichgewicht“.
Körper, Geist und Seele stehen in keinem ausgewogenen Verhältnis mehr. Der Mensch funktioniert mehr, als das er lebt. Psyche (Seele) und Soma (Körper) sind eine untrennbare Einheit, die wechselseitig aufeinander reagiert.



Während des meditativen Wanderns passiert es fast „automatisch“, dass ich meinen Schwerpunkt verlagere, also das Psyche und Soma eine Einheit bilden. Ist dieser Augenblick eingetreten laufen wir regelrecht in eine spontane Ganzheit von Fühlen und Denken hinein, wir sind jetzt eins mit uns und der uns umgebenden Landschaft.
Das Ziel des meditativen Wanderns ist es also, einen Ruhepunkt in uns zu finden. In einer Gesellschaft, die ihr höchstes Ziel in einer übersteigerten Leistungserbringung sieht, die auf Kosten individueller Selbstverwirklichung geht, in der Konkurrenzdenken das Klima zwischen den Menschen bestimmt, kann das Individuum krank werden und damit eine ganze Gesellschaft. Übersteigertes Leistungsstreben, mitleidloses Konkurrenzverhalten, entfremdete Arbeit, gesundheitsgefährdende Arbeitsplatzsituationen, Zerstörung der Umwelt sind wahrlich keine Bedingungen für ein ganzheitliches Leben. Hier kann Meditation oder meditatives Wandern zu einer spirituellen Quelle der Harmonie werden.

Das Rezept des meditativen Wanderns:
Meditatives Wandern führt den Menschen also zur Ganzheit. Das Rezept ist die Übung. Meditatives Wandern führt den Menschen auch ins unbekannte Land der eigenen Seele. Christian Morgenstern schrieb einmal in sein Tagebuch: „Ich bin wie eine Brieftaube, die man vom Urquell der Dinge in ein fernes, fremdes Land getragen und dort freigelassen hat. Sie trachtet ihr ganzes Leben nach der einstigen Heimat, ruhlos durchmisst sie das Land nach allen Seiten. Und oft fällt sie zu Boden in ihrer großen Müdigkeit, und man kommt, hebt sie auf und pflegt sie und will sie ans Haus gewöhnen. Aber sobald sie die Flügel nur wieder fühlt, fliegt sie von neuem fort, auf die einzige Fahrt, die ihrer Sehnsucht genügt, die unvermeidliche Suche nach dem Ort ihres Ursprungs.“
Aus ähnlichem mysteriösen Inneren Drang gehen Menschen heute wieder auf Pilgerfahrten. Etwas zieht sie in seinen Bann. Sie möchten nicht zu Hause bleiben, obwohl die Kirche gleich nebenan ist. Sie suchen ein Heiligtum in weiter Ferne. Beim meditativen Wandern ist dieses Heiligtum allerdings nicht in der Ferne es befindet sich in unserem Innersten und wir finden es vor allem in der Natur die wir durchwandern.
hukwa