Mittwoch, 22. Mai 2013

Das Trippstadter Schindelhaus

Holzschindeln gehören zu den ältesten und traditionsreichsten Baustoffen überhaupt. Schon bei den ersten Besiedelungen der waldreichen Gebiete Europas wurden gespaltene Holzschindeln zur Dacheindeckung verwendet. Da es noch keine Möglichkeit zur Befestigung gab, wurden die Schindeln auf die Dachkonstruktion gelegt und mit Latten und Steinen beschwert. Legschindeln wurden solche Holzschindeln genannt, die um einiges größer waren als die herkömmliche Wand- und Dachschindeln. Diese Schindelart wird heute noch in den Alpen verlegt.
Erst im Zeitalter der Industrialisierung bot sich durch die industrielle Herstellung von Nägeln vermehrt die Möglichkeit, Schindeln auch als Wandverkleidung zu verwenden. Zu dieser Zeit entstanden die verschiedensten Schindelformen.
Holzschindeln wurden damals ausschließlich mit der Hand gespalten. Der Grund war einfach der, dass durch Handspaltung die Faser des Holzes nicht so stark verletzt wurde und die Schindeln somit eine weitaus längere Lebensdauer hatten.

Noch heute können wir in Trippstadt an verschiedenen Häusern alte Holschindeln sehen, meist direkt am Giebel. Bei ganz wenigen Häusern ist die halbe Hausseite verschindelt, bei einem Haus sogar (Hauptstrasse Nr. 42….) eine ganze Seitenwand. Bei diesem Anwesen dürfte es sich um die älteste Holzschindelverkleidung im Pfälzerwald handeln.
Dass einst die meisten Häuser in Trippstadt mit Wandschindeln verkleidet waren, können wir in zahlreichen Büchern und alten Fotos überprüfen.
So schreibt Alfred Hans Kuby in „die protestantische Kirche in Trippstadt“…“während die Südwestwand nach Art der Gegend mit Holzschindeln verkleidet war…“. Wahrscheinlich war die protestantische Kirche die einzige Kirche die in Trippstadt, zum Teil, Wandschindeln hatte. Die katholische Kirche war nicht verschindelt auch die kleine Kapelle im Neuhöfertal nicht. Als dort im 18. Jh. das Nachbarhaus niederbrannte schmolz nur die Glocke, die Kapelle trug keine Brandschäden davon. Wären an ihren Außenwänden Schindeln gewesen, hätte das Feuer sich darauf übertragen.
August Becker berichtet uns in „Die Pfalz und die Pfälzer“ über seinen ersten Eindruck von Trippstadt. Er spricht von „grauen Brettern“, mit denen die Häuser verkleidet waren. Bei diesen Brettern handelt es sich um sogenannte „Wetterbretter“. In großen Teilen Deutschlands waren einst die Wetterseiten der Kirchen mit Holzbrettern verschalt.
Aber auch die ärmere Bevölkerung, die sich keine Holzschindeln leisten konnte, verschalte ihre Häuser mit Brettern. Dabei handelte es sich meist um sogenannte „Schwartenbretter“ also Erstabschnitte von Holzstämmen die günstig von Sägewerken verkauft wurden.
Obwohl Trippstadt von riesigen Waldungen umgeben war und ist, war das Holz sehr teuer da das meiste eingeschlagene Holz zur Herstellung von Holzkohle verwendet wurde, die dringend in der Trippstadter Eisenverhüttung benötigt wurde. Man verwendete zur Schindelherstellung damals vorwiegend sogenanntes Stockholz, also die untersten Abschnitte der Stämme die von den Schindelmachern aufgekauft wurden und mit denen sie in mühseliger Heimarbeit Holschindeln herstellten.
Es ist uns ein „Schindelunternehmer“ aus Trippstadt bekannt.
Johann Kallenbach geboren 1853, finden wir im Kaiserslauterer Gewerberegister von 1875 als Schindelmacher eingetragen. Er wohnte im „Häusje“ am Ertl.
Da in Trippstadt einige Schweizer Einwanderer ein neues Zuhause gefunden hatten ist nicht auszuschließen, dass es vor allem diese Zuwanderer waren, die im Nebengewerbe Schindeln herstellten.
Eine weitere Trippstadter Schindelmacher Familie war die Familie Bornträger, Friedrich Bornträger geb. 1805 in Trippstadt und Gustav Bornträger geb. 1834 in Trippstadt waren beide Schindelmacher.
Den wohl ältesten Nachweis über die Schindelproduktion in Trippstadt fand ich in den Rechnungsbüchern des Amtes Wilenstein von 1633.
1633 wurde auf Wilenstein nochmals ein größerer Bau errichtet. Ob es ein völliger Neubau war oder ob man einen alten Wohnbau abgerissen hatte und wieder neu aufführte, geht aus der Rechnung nicht hervor. Es war jedenfalls ein Fachwerkbau, denn der Zimmermann Jakob Decker aus Heltersberg hatte, den Lohnzahlungen nach zu urteilen, die meiste Arbeit. Das Holz wurde in den herrschaftlichen Wäldern geschlagen.: „1 Gulden 7 ½ Batzen seint verzehrt worden, alß das gehöltz zum Hauß Wilenstein ist gefelt (gefällt) worden“. Als der Akkord mit dem Zimmermann getroffen wurde, erhielt er 7 ½ Batzen zu „Weinkauff“. Später wurden ihm 13 Batzen bezahlt, „alß der Wercksatz zum hauß gelegt, den Zimmerleuthen vor zehrung“….
Der Dachdecker Reinhard Kraft aus Queidersbach erhielt 24 Gulden für seine Arbeit. … Als dann die letzte Schindel angenagelt war, erhielt „gerührter Schindeldecker“ 7 Batzen zu Spitzwein… Die Maurerarbeit wurde an den Trippstadter Steinmetz Martin Drexler vergeben.
Die 48 000 Schindelnägel bezog man aber nicht im nahen Kaiserslautern, sie wurden in Eischweiler (Thaleischweiler) gekauft; ebenso die Lattennägel. Erst als diese nicht mehr ausreichten, kaufte man weitere 800 bei einem Nagelschmied in Kaiserslautern.


Ein historisch besonders wertvolles Foto schickte mir Fridolin Heintz aus Elmstein zu. Es zeigt ein Haus in Appenthal das nicht nur mit Holschindeln verkleidet ist, sondern auch eine Dachdeckung (3lagig) mit Holzschindeln hat. Das in der Pfalz auch Dächer mit Holzschindeln gedeckt wurden, darüber konnte ich bisher keine Nachweise finden. Durch dieses Foto kann man nun davon ausgehen dass in der Region des Pfälzerwaldes, einige Häuser mit Holschindeln gedeckt waren.


Wenn man sich mit Holzschindeln, ihrer Herstellung und Produktion beschäftigt, ist es insgesamt wichtig auch einen Blick auf den Fachwerkbau der Pfalz zu werfen. Nach Verwendung der Baustoffe unterscheiden wir in der Pfalz drei Haustypen: das massive Steinhaus, den Fachwerkbau und die gemischte Bauweise. In Trippstadt finden wir bis ins 19. Jahrhundert neben einigen größeren Bürgerhäusern die sogenannte Einfirstanlage vor. Im Pfälzerwald, aber auch in den Dörfern der Haardt, sowie in den Ebenen wo Steinbrüche leicht zu erreichen waren, wurde seit Jahrhunderten auf steinernen Fundamenten das Erdgeschoss aus Bruchsteinen gemauert und das obere Geschoss in Fachwerk ausgeführt.

Die Ausführung des Untergeschosses aus massivem Sandstein, des Obergeschosses in Fachwerk dürfte bis etwas 1800 vorherrschend gewesen sein. Heute liegt das Fachwerk fast überall unter einer dicken Putzschicht verborgen.

Noch heute finden sich in Trippstadt einige dieser Häuser, dabei handelt es sich um das sogenannte Wohnstallhaus. Ein schlichtes Fachwerk ohne Zier auf massiven Sandstein aufgebaut. Meist führt eine Freitreppe zum Wohngeschoss. An den Wohn-Stall-Trakt ist meistens eine bescheidene Scheune angeschlossen. Also „alles unter einem Dach“. Der obere Teil dieser Häuser besteht also in der Regel aus Holz, Lehm und Stroh. Diese Fachwerkarbeiten wurden von Zimmerern durchgeführt. Dem Lehm und Strohgemisch wurde in der Regel noch Kuhmist zugeführt um eine bessere Bindekraft zu erreichen. Damit der Putz haften blieb, mussten die Hölzer (Fachwerk) mit Beilhieben bearbeitet werden.
Dieses „Oberfachwerk“ wurde dann zur Wetterseite hin mit Holzschindeln abgedeckt. Das Anbringen der Holzschindeln wurde ebenfalls von Zimmerleuten ausgeführt.
Ein weiterer typischer Trippstatder Haustyp ist das sogenannte „Mitteltennen - Einhaus“ . Dieser Haustyp, der im Untergeschoss Ställe, Futter- und Waschküche, und darüber, nur über eine Treppe erreichbar, Wohnräume birgt, ist im Neckarland weit verbreitet und als „gestelztes Bauernhaus“ bekannt. Da bei diesem Haustyp der Platz für einen größeren Vorhof meist fehlte, diente der enge Raum zwischen Haus und Straße einst zu allerhand Wirtschaftszwecken. In alter Zeit lag hier auch der Misthaufen. Lagen zwei Häuser eng beieinander entstand das sogenannte „Reihelchen“ (sprich: Reilche), jener schmale, lange Durchlass, der so oft in der Pfalz zwei ältere Häuser trennt und der sich auch in Trippstadt noch findet. Die Hausforschung spricht beim „gestelzten Bauernhaus“ auch vom „Einfeuerhaus“, um diesen Ausdruck näher zu erklären ist es interessant einmal einen Blick in das innere eines solchen Hauses zu werfen und somit auf die kulturgeschichtliche Entwicklung dieser Häuser: Von der Haustüre aus treten wir direkt in die Küche. Mag sie auch als kleiner und dunkler Raum erscheinen, war sie doch der Mittelpunkt des Hauses. Die „gute Stube“ gab es damals noch nicht. Die Küche war die Hauptfeuerstelle des Hauses und beheizte den umliegenden als Stube und Kammer dienenden Raum mit. Bei dieser Hausform bestand noch keine Trennung in Stuben Kammern und Küche. In Resten zeigt sich dies etwa darin, dass früher neben der Stube keine kleine Kammer lag, sondern ein einfacher abgetrennter Raum mit der Bettstatt, dem Alkoven. Erst in der weiteren kulturgeschichtlichen Entwicklung wird aus dem größeren und in die Stube vorgerückten Alkoven das separate Schlafzimmer nämlich als spätere Abspaltung vom Stubenraum.
Als Koch- und Heizstelle diente ein roher Herd. Diese aus Sandstein errichtete Feuerstelle hatte Ähnlichkeit mit einer Schmiedeesse. Hier brannte ganz offen das Feuer. Über dem Holzfeuer hing der große Eisentopf. Daneben gab es noch den Dreifuß der in die Glut gestellt wurde und dem Kochtopf einen Stand gab. Damals gab es beim einfachen Volk ausschließlich Eintopfgerichte. Die Einführung des geschlossenen Herdes im 19.Jh. kam einer Revolution gleich. Es konnte anders gekocht werden und das Kochgeschirr änderte sich. Die ersten „Ritschhäwwe“ kamen in Mode, also Töpfe die auf dem Herd hin und her geschoben wurden.





Zu bemerken ist auch noch, dass der Rat vieler Städte und Ortschaften bereits ab dem hohen Mittelalter den Bau von Fachwerken und Schindelfassaden zu bekämpfen versuchte. Hauptgrund war die Feuergefahr, die durch dramatische Brände ganze Ortschaften und Stadtteile einäscherten. Unzählige Erlasse forderten besonders in den Städten zumindest das Erdgeschoss in Massivbau anzufertigen.


hukwa



Lit. Verzeichnis:

Natur und Kultur: Das Biosphärenreservat Pfälzerwald. Herausgegeben 2008 von UNESCO- Biosphärenreservat „Pfälzerwald – Vosges du Nord“.
Franz Neumer: Aus den Rechnungsbüchern des Amtes Wilenstein; Heimatkalender des Landkreis Kaiserslautern 1973.
Fred Weinmann: der Fachwerkbau in der Pfalz: Jahrbuch zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern, Bd. 24/25; 1986/87
Eisenhüttenmuseum Trippstadt- Sonderausstellung: Alte Waldberufe: Verschiedene Dokumente.
Kurt Knebel: Der Wilensteinerhof; Sonderheft der „Blätter zur Heimatgeschichte von Trippstadt.
August Becker: Die Pfalz und die Pfälzer.
Ludwig Schandein: Beiträge in Bavaria.
Opderbecke: Der Zimmermann.