Über die mittelalterliche Aufgabe des
Bader Standes
Im Trippstadter Bürgerbuch finden wir
in den Einträgen von 1666 und 1890 mehrmals die Berufsbezeichnungen
Barbier, Bader und Chirurg. Es sind alte Berufsbezeichnungen aus dem
Gesundheitswesen des Mittelalters. Der Bader war sozusagen der „Arzt
des einfachen Mannes“. Die arme Bevölkerung die sich keinen Rat
bei den klerikalen und studierten Ärzten leisten konnten suchten bei
Krankheit den Bader, Barbier oder Chirurgen auf. Für seine Zeit war
dieser Berufsstand hoch geachtet und wurde bis ins späte 19.
Jahrhundert ausgeübt. Er umfasste das Badewesen, Körperpflege und
Kosmetik, kleinere chirurgische Eingriffe sowie Teilgebiete der Zahn-
und Augenheilkunde. Der Bader war oft gleichzeitig auch Barbier oder
arbeitete mit einem solchen im Badehaus zusammen. Ebenso mit dem
Chirurgen. Aus diesen Berufen entwickelte sich der Berufsstand der
Wundärzte.
Obwohl hochgeachtet zählte der Bader
zu den „unehrlichen Berufen“, die sich anfangs in keiner Zunft
organisieren durften.
In manchen Regionen und Städten wurden
sie jedoch später in die Zünfte aufgenommen, etwa in Augsburg und
Würzburg 1373, in Hamburg 1375. So durchliefen Bader etwa in Wien,
wo sich die Zunft der Bader bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen
lässt, eine handwerkliche Lehre und bildeten einen Stand. Die
Laufbahn Lehrling, Geselle, Meister war fest geregelt. Sie mussten
eine dreijährige Wanderschaft machen und bei anderen Meistern
lernen.
Für die Gemeinde Tippstadt, in der ja
3 Bader nachgewiesen sind, fand sich allerdings kein Hinweis bisher
auf ein Badehaus obwohl es ein solches gegeben haben muss (zumindest
ein kleines), sonst hätten die Bader ja ihren Beruf nicht ausüben
können, es sei denn die Trippstadter Bader haben in Kaiserslautern
gearbeitet, was wahrscheinlich nicht der Fall war.
Der Baderberuf ist uns allerdings in
Urkunden und Schriftstücken aus Kaiserslautern erhalten.
So erfahren wir über eine alte Urkunde
das im Jahre 1583 eine neue städtische Badestube erbaut wird. Durch
eine Verordnung des Rates war der Bader gehalten, „an jedem Montag
und Donnerstag Bäder bereit zu halten“. Der Aufgabenbereich des
Baders erstreckte sich aber nicht nur hierauf, ihm war ferner
aufgetragen „das Haar- und Nagel schneiden, Rasieren, die
Behandlung äußerer Wunden,
und Schäden, sowie das Schröpfen und
Aderlassen bei trinkfesten Personen“. Bei Ausbruch einer Pestseuche
mussten die beiden städtischen Bader die Kranken besuchen und dafür
sorgen, das Rauchwerk von Wacholder an den Brunnen gemacht, die
Gassen gereinigt, das Vieh aus den ausgestorbenen Häusern geholt,
der Mist vor den Häusern entfernt und das Ausgießen der Nachttöpfe
auf die Gassen unterlassen wurde. Bei ärztlichen Leichenöffnungen
(Sektionen) hatte der Bader mitzuwirken, und schließlich gehörte
auch noch die Leichenschau zu seinen Amtsobliegenheiten.
Als im Jahre 1348/49 die vom Orient
eingeschleppte Pest sich über ganz Europa ausbreitete, beschloss der
Lauterer Rat die Errichtung eines Leprosen- oder Feldsiechenhauses,
wie dies auch anderwärts bereits geschehen war. Das „Kodenhäusel“,
wie das Feldsiechenhaus auch genannt wurde, stand vor dem Fackeltor
an der Stelle, wo sich heute die Apostelkirche erhebt. Der Name
„Feldsiechenhaus“ besagt schon, dass das Leprosenhaus im freien
Felde abseits von bewohnten Gebäuden stand. Man wollte hierdurch
vermeiden, dass eine Übertragung und Ausbreitung dieser
Seuchenkrankheit auf die Bürger der Stadt erfolgte.
Nach der strengen Ordnung der Stadt von
1350 stand das „Kodenhäusel“ unter der Leitung eines Aufsehers,
der Bader war. Zu seinen Pflichten gehörte neben der Heilbehandlung
von Kranken deren Beköstigung, die er mittels einer Drehlade in die
Krankenräume beförderte. Ferner musste er auch die Aufenthaltsräume
säubern. Von Haus zu Haus gehend und auf dem Kirchhof hatte er die
Almosen für die Kranken an Geld und Naturalien zu sammeln sowie die
Aussätzigen zum Gottesdienst zu führen. Schließlich gehörte noch
zu seinem Aufgabenkreis im Falle, dass ein Kranker verstarb, diesen
zu beerdigen. Der Rat hatte für diesen gewiss nicht beneidenswerten
Posten eines Baders im Feldsiechenhaus eine Jahresbesoldung von 6
Pfund Heller und 1 Paar Schuhe oder an deren Stelle 5 Schillinge
Heller ausgesetzt. Von den gesammelten Almosen hatte der Bader auch
einen Teil zu beanspruchen. Alle des Aussatzes verdächtigen Personen
wurden damals zwangsweise in das Feldsiechenhaus geschafft.
Wenn die Erkrankten zum Gottesdienst
auf den Kirchhof (für die wurde der Gottesdienst im Freien gehalten)
über die Fackel- und Marktstraße gingen sowie auch auf dem Rückweg
ins Feldsiechenhaus, musste dem Trupp eine Klapper vorausgehen, auf
deren Zeichen hin alle Straßenpassanten eiligst die Flucht
ergriffen, um ja nicht mit dem Transport in Berührung zu kommen.-
Erst im 17. Jahrhundert kam das „Kottenhäusel“ außer Gebrauch,
sein Name lebt noch heute im Namen des Kaiserslauterer Stadtteils
Kotten weiter.
Bei den immer wieder auftretenden
Pestepidemien, vor allem 1569, 1597 und 1611, behalf man sich nach
wie vor mit der notdürftigen Quarantäne in Feldsiechenhäusern vor
den Städten. Schon von der Lage des Friedhofs im Ort her bei auch
sonst gänzlichem Fehlen jeglicher Hygiene war dennoch der weiteren
Ausbreitung der Pestseuche überhaupt kein Einhalt zu bieten. Die
Schilderungen über diese Seuche sind oft so fürchterlich, dass es
schwer fällt sie wiederzugeben. Im Hintergrund des dreißigjährigen
Krieges, des Durchzuges von Fremden muss man davon ausgehen das die
Pest immer wieder ausbrach.
Doch schon vor dem verheerenden Kriege
war die Lage mehr als entsetzlich: Allein aus den drei- bis vier
erhalten gebliebenen Handschriften im 1661er Band der Lauterer
Ratsprotokolle, mit den zuweilen verwirrten Schriftzügen lässt sich
bei näherem Hinsehen die Angst und Panik erkennen die überall
vorherrschte. Als im September 1611 die Pest wieder auftrat, hatten
sich die Befallenen zunächst bloß „des offenen Marktes und der
gemeinen Gassen zu enthalten“; dann wurde für junge Personen das
Totengeleit verboten; Bader indessen wurden aufgefordert, bei den
befallenen Personen „fleißig zu erscheinen“.
Schließlich wurden Leichenpredigten
und und das Tote Geleite - völlig eingestellt und Tote blieben
unbeerdigt. Im Februar 1612 sollen ganze Straßenzüge völlig
unbewohnt gewesen sein. Schließlich hieß es 1625 aus Neustadt, die
Pest habe ein Zehntel der Menschen übriggelassen, eine weitgehend zu
verallgemeinernde Beobachtung: ganze Dörfer standen völlig leer,
sie waren „ausgestorben.“
Seit den großen Pestepidemien der
vergangenen Jahrzehnte grassierte eine permanente Pestangst in der
ganzen Pfalz. Händler und Wirte, die beispielsweise 1666 von
Kaiserslautern, kamen um in Wachenheim Wein einzukaufen, mussten dort
ein Artest vorlegen, dass am Ort Ort ihrer Herkunft „gute Luft“,
d.h. Keine Ansteckungsgefahr herrsche. Als in Lautern im Oktober
jenes Jahres zwei Kinder starben, verstärkte sich die Angst,
obgleich sich deren Krankheit als Röteln erwiesen hatte. Stärker
wütete die Pest damals im südostpfälzischem Gebiet, besonders im
Raum Germersheim, wo erneut ganze Ortschaften vollständig
ausgestorben sein sollen. Als die in Kaiserslautern residierende
Maria Eleonore von Brandenburg (1610 – 1675), Fürstin von Pfalz
Simmern als Witwe von Pfalzgraf Ludwig Heinrich von Simmern, im Jahre
1668 Kaiserslautern verlassen wollte, um die Heilquellen von
Wiesbaden aufzusuchen, tat sie das wohl in der Absicht, der drohenden
Pestansteckung zu entgehen; der Kaiserslauterer Stadtrat, offenbar
mit der Art und Weise der Herrschaftsausübung zufrieden, vermochte
sie aber davon abzuhalten, nachdem er ihr dringend geraten hatte,
„die Stadt doch in so gefährlichen Zeiten“ nicht zu verlassen,
da sie offenbar allein durch ihre vertrauenerweckende Präsenz zu
Ruhe und Ordnung beitragen konnte. Im Jahre 1671 ließ Maria von
Pfalz – Simmern eine neue Hebamme in Kaiserslautern einstellen,
nachdem sie ihren Hofbader ohnehin auch in den Dienst der städtischen
Bürger gestellt hatte; desgleichen bemühte sie sich um Sauberkeit
und Hygiene in der Stadt. Im folgenden Jahr war dann die Fürstin,
offenbar zu einem Kuraufenthalt, dennoch verreist und hatte dabei
ihren Hofbader mitgenommen. Da zu dieser Zeit gerade der alte Bader
„Petri“ starb, musste man sich sofort nach einem Ersatz umsehen,
was auch kurzfristig mit einem geeigneten Mann aus Haßloch gelang,
der sich allerdings noch die „Kunst des Schröpfens“ aneignen
musste.
hukwa
Lit. Hinweise:
Josef May: Das Gesundheitswesen im
alten Lautern; Heimatjahrbuch KL. 1964
Werner Weidmann: Zur Geschichte der
Ärzte und Apotheker aus der Pfalz und den umliegenden Gegenden:
Jahrbuch zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern.
Bd.32/33
Albert Becker: Pfälzer Volkskunde;
1925, Frankfurt.
Julius Küchler: Chronik der Stadt
Kaiserslautern;
Martin Dolch/Michael Münch:
Urkundenbuch der Stadt Kaiserslautern. Otterbach 1994.