Es ist immer wieder sehr
interessant, wenn man beim Studium über heimatgeschichtliche Texte,
alte Chroniken und Urkunden auf Personen stößt, die vor ein paar
hundert Jahren gelebt haben. Man entdeckt plötzlich das Leben eines
einfachen Menschen, eines Arbeiters, Bauern oder auch eines Menschen
den die Umstände der damaligen Zeit aus dem gesellschaftlichen Leben
herausgerissen haben. Manchmal taucht solch ein Mensch in
verschiedenen Aufzeichnungen immer wieder auf und schon hat man eine
kleine Teilbiographie seines Lebens. Dadurch, dass diese Menschen
durch irgendeinem Zufall an irgendeinem Ort waren, wurde ihre
Persönlichkeit, oder zumindest ein Teil von dieser, aufbewahrt. So
erhält auch ein ganz unbedeutender Bauer oder Arbeiter der vor etwa
250 Jahren gelebt hat eine Geschichte. Seine Geschichte ist
schließlich Teil der Geschichte insgesamt. Wenn ich solches entdecke
bin ich immer wieder fasziniert. Während meiner heimatkundlichen
Recherchen über den alten Pfälzer Reichswald fiel mir der Name
Hammelhannes auf. Was ich über seine Geschichte herausfinden konnte
habe ich niedergeschrieben.
Zwischen 1700 und 1850
herrschte im Pfälzerwald tiefe Armut unter der einfachen
Bevölkerung. Der karge Boden konnte in der Bevölkerung nicht alle
Menschen ernähren. Armut und Elend fand sich in allen Dörfern des
Pfälzerwaldes. Die Zahl der Personen die keinen festen Wohnsitz
hatten und keiner geregelten Tätigkeit nachgehen konnten war enorm.
Zu den Bettlern, Vaganten und Forstfrevlern gesellten sich
Landfahrer, marodierende Soldaten und allerlei lichtscheues Gesindel.
Ein beliebter Aufenthalt dieser Leute war unter anderem der
Reichswald zwischen Kaiserslautern und Ramstein. Dieser dunkle
,dichte Wald war auch Aufenthalt des Räubers Hammelhannes, der seine
Raubzüge bis in die Wälder um Trippstadt ausdehnte.
Wie es damals zuging ist
in einer alten Niederschrift von 1728 nachzulesen. So machten zu
dieser Zeit eine Horde von 300 Landfahrern und Vaganten die Gegend um
Kaiserslautern unsicher. Die Landfahrer waren gut bewaffnet und
selbst in der Stadt Lautern fürchtete man sich vor ihnen. Die
Stadtmauern waren noch durch den spanischen Erbfolgekrieg zerstört
und es befand sich damals auch keine Garnison in der Stadt. Erst als
Kurfürst Carl Philipp Husaren und Dragoner schickte wurde dem
Treiben ein Ende gesetzt.
Es war eine Zeit
schrecklicher Armut die in den Walddörfern des Pfälzerwaldes
vorherrschte. Die Beschreibung des Waldorfes Appenthal von August
Becker kann hier stellvertretend für viele Walddörfer der damaligen
Zeit stehen:
„Die Leute sind hier
sichtlich arm und in teuren Jahren ziehen des Elends bleiche
Gespenster durch diese Täler und Gebirgslande mit ihren weit
auseinanderliegenden abgeschiedenen Walddörfern und einzelnen
Hütten. Der Winter macht sie dann öfters ganz unzugänglich, und im
Frühjahr tritt dann noch der Hungertyphus auf, um zu würgen unter
der ohnehin schon äußerst schwachen Bevölkerung.“
Einer der schlimmsten
Räuber jener Zeit war der schon erwähnte Hammelhannes. Er lebte zur
gleichen Zeit wie der berühmte Hunsrücker Räuberhauptmann Johannes
Bückler im Volksmund „Schinderhannes“ genannt. Hammelhannes
unterschrieb seine Erpresserbriefe ähnlich wie der „Schinderhannes“
mit „Johannes durch den Wald“, setze diesem aber noch ein „im
Namen der freien Waldsöhne“ hinzu. Der Hammelhannes war unehelich
geboren,was damals ein großer Nachteil für einen Mensch war. Seine
Mutter war eine Waschfrau welche sich mit einem Tagelöhner namens
Johannes Denzer aus Zweibrücken verheiratete. Dieser gab dem Jungen
seinen Familiennamen. Schon in jungen Jahren zog ihn das lichtscheue
Gesindel, das in den Wäldern hauste, an. Sein Quartier bezog er in
den Forsten um Münchweiler an der Rodalb. Von hier aus plante er
seine Raubzüge bis in das Gebiet um Kaiserslautern und Trippstadt.
Er steckte unter anderem eine Mühle in Landstuhl in Brand weil der
Besitzer ihm kein Erpressergeld zahlen wollte. Auf der Sickinger Höhe
stahl er bei den Bauern was nicht niet- und nagelfest war, und in
Alsenborn brannte er fast das gesamte Anwesen des Landwirts und
Gasthalters Theobald Krämer nieder. Auch die Mühle von Peter
Schramm aus Neuhemsbach wurde von ihm niedergebrannt, weil dieser ihm
kein Lösegeld zahlen wollte. Etwa um 1800 tauchte der Hammelhannes
in der Gegend von Trippstadt auf.
Er hatte den Sohn des
Bürgermeisters von Münchweiler entführt und schickte diesen ins
Neuhöfertal zum Betteln. Die Neuhöfertaler merkten schnell, dass
hier etwas nicht stimmte nahmen den Jungen in ihren Schutz und
versuchten den Hammelhannes zu überwältigen. Nur mit Mühe gelang
ihm die Flucht. Kurze Zeit später wurde er in der Nähe von Sembach
endlich überwältigt. Im Jahre 1804, nur kurze Zeit nach der
Hinrichtung des Schinderhannes, wurde auch der Hammelhannes vor den
Toren von Mainz durch das Fallbeil gerichtet.
Spuren dieser Räuber
finden wir auch immer wieder in unserer Gegend.
So von Peter Petri, der
„Schwarze Peter“ genannt, ein berüchtigter Räuber und Mörder
aus dem Hunsrück und zeitweise Weggefährte von Schinderhannes,
wurde im Oktober 1798 verhaftet und in das Gefängnis nach
Kaiserslautern eingeliefert, von wo er später nach Simmern in
Gewahrsam kam.
Der zu seiner Zeit sehr
berüchtigte Räuber Johannes Müller aus der Nähe von Wittlich
stammend, wanderte als Zunderkrämer mit Frau und Kindern im Land
umher. Während des Winters, machte er sich in den Dörfern
Schallodenbach oder Schneckenhausen mit seiner Familie für die kalte
Jahreszeit sesshaft. Man vermutete, dass der „Müller Hannes“ und
ein Komplize mit dem Spitznamen „Dreckpeter“ im Jahre 1780 in
Schallodenbach einen Kirchenraub verübten. Müller hatte in späteren
Jahren Verbindungen zu Schinderhannes und wurde ebenfalls 1803 in
Mainz hingerichtet.
Margareta Blasius, die
Schwester der Räuberbraut des Schinderhannes, verbüßte in
Kaiserslautern eine zweijährige Gefängnisstrafe, zu der sie im
Jahre 1800 verurteilt wurde.
In den Wäldern um
Kaiserslautern trieben mehrere Banden im ausgehenden 18. Jahrhundert
ihr Unwesen. Aus einem Polizeibericht vom 11. Mai 1800 des
Friedensrichters Johann Heinrich Vogt aus Kaiserslautern, an den
Präsidenten des Kriminalgerichts Departement Donnersberg, erfahren
wir einige Einzelheiten aus der damaligen Zeit. Darin heißt es:
„Bürger! Seit dem
Entkommen von Ludwig Sch…scheint die Rotte der Spitzbuben sich
täglich mehr zu häufen. Brandbriefe werden allen Weges gelegt, ich
habe deren allein drei zu Alsenborn an dem verflossenen 8ten Floreal
aufgenommen; auch werden Wege an allen Orten unsicher. Man gibt Leute
an, wo man Geld vermutet; die Rotte dieses Gesindels scheint sich
durch Deserteure zu vermehren, wodurch die Anschläge mehr Freiheit,
Charakter und Entschlossenheit bekommen. Noch ist es vielleicht Zeit,
statt den Taugenichtsen der Gendarmerie, die weder Orts-, weder
Sprach- noch Personalkenntnisse besitzen, andere Personen
aufzustellen, die nebst diesen Kenntnissen Diensttätigkeit besitzen,
diese Waldgegenden vor großem Unglück zu schützen; schon ist die
Furcht der Gemeindebewohner so weit gekommen, dass die Spitzbuben vor
wenigen Tagen am hellen Tag in die Wohnung des Agenten zu Enkenbach
kamen, der ihnen Wein einschenken musste, und dabei bemerkte, dass
alle Ortsbewohner sich in ihre Häuser verkrochen, und dieselben
hinter sich zuschlossen, damit sie weder vom Agenten gerufen, noch
von den Spitzbuben belästigt werden konnten. Ohnlängst sind dreißig
Deserteure hier durch, sie pochten nur an einzelnen Mühlen, wo sie
sich als Ausreißer ausgaben. Vor Tag machten sie ihre Reise in dem
Wald fort, alle sprachen deutsch, und der Müller zitterte an Arm und
Bein. Dass er mit gesunder Haut davon kam glaubte er seiner guten
Bewirtung verdanken zu können“.
Obiger Bericht ist dem
„Heimatkalender des Landkreises Kaiserslautern“ entnommen, darin
schreibt der in Siegelbach lebende Heimatforscher Gerold Scheuermann:
„Der Familienname des
am Anfang des Berichts genannte Ludwig Sch… wurde von mir
abgekürzt. Bei dem Müller handelt es sich wahrscheinlich um den
Besitzer der Eselsmühle bei Enkenbach. Deutlich ist zu entnehmen,
das eine große Anzahl von Deserteuren die Gegend unsicher machte.
Aus weiteren Akten, die in französischer Sprache abgefasst sind,
erfahren wir, das Ludwig Sch… aus Stelzenberg stammte. In diesen
Schriftstücken taucht der Name Schwarz Peter auf. Ist es der bereits
erwähnte berüchtigte „Schwarze Peter?
Ein weiterer Räuber der
mit seiner Bande auch unsere Gegend unsicher machte war der
sogenannte Hannikel. Der Räuberhauptmann Hannikel, mit bürgerlichen
Namen Jakob Reinhard ist eine schillernde, wenn auch heute fast in
Vergessenheit geratene Gestalt unserer Heimatgeschichte des 18.
Jahrhunderts. Mehr als 20 Jahre lang stahl und raubte er in der
Gegend um Pirmasens und versetzte mit seiner Bande die Bevölkerung
in Angst und Schrecken. Diese Räuberbande, die bevorzugt
evangelische Pfarrhäuser und jüdische Mitbürger ausraubte bestand
vorwiegend aus Sinti (damals Zigeuner) und Vaganten. Somit standen
sie auch außerhalb der frühneuzeitlichen Gesellschaft und lebten in
ihrer eigenen Kultur mit ihren eigenen Regeln und Gesetzen. Ein
gefährlicher Verwandter von Hannikel war Christian Reinhard, im
Volksmund „Schwarzer Jonas“ genannt, er zog auch einige Zeit mit
dem berüchtigten Hunsrücker Räuber Schinderhannes durch die
Landen.“
Über Schinderhannes
schrieb im Jahre 1891 Rauchhaupt: „Schinderhannes ist der einzige
rheinische Räuber, von dem man merkwürdigerweise heute noch an
vielen Orten mit wahrer Begeisterung spricht“.
Nun, diese Begeisterung
hatten seine Opfer gewiss nicht. Johannes Bückler, so sein
bürgerlicher Name, war ein äußerst brutaler Mensch so dass selbst
seine Richter immer wieder schockiert waren, wenn er in den Verhören
darüber berichtete wie er seinen Opfern Schmerzen zufügte um aus
ihnen Geld herauszupressen.
Im „Mythos
Schinderhannes“ wird einfach verkannt, das er keinesfalls ein Robin
Hood war, für den ihn heute noch viele halten, sondern ein ganz
brutaler Verbrecher. Durch eine romantische Literatur wurde er
regelrecht verklärt und der Endpunkt dieser Verklärung war
zweifelsohne Käutners Film von 1957, in dem Schinderhannes von Curd
Jürgens gespielt wurde. Selbst Zuckmayer hat mit seinem berühmten
Buch „der rheinische Rebell“ die historische Figur des Johannes
Bückler aus den Augen verloren.
Die Schinderhannes
Forschung weiß über zahlreiche Personen, vorwiegend jüdischer
Herkunft, die durch die Repressalien des Räubers ihre Heimat
aufgaben und auswanderten.
Man weiß heute, dass es
bereits zur Zeit der hier beschriebenen Räuber und Verbrecher ein
ganz Mitteleuropa überziehendes Netz von hauptberuflichen Mördern,
Räuber und Dieben gab. Alle zwei Jahre fand ein „Räuberkongress“
statt, so z.b. 1799 in Schupbach/Lahn, auf den alle „namhaften“
Räuber und Berufsverbrecher eingeladen wurden. Dort wurden
bedeutende Überfälle im westlichen Deutschland für mehrere Jahre
im voraus geplant. Seit dem dreißigjährigen Krieg hat das
Räuberunwesen Südwestdeutschland und vor allem die Pfalz fast
ununterbrochen geplagt. Ein 1739 zu Trarbach hingerichteter Räuber
konnte „33 Mitglieder einer diesseits Rhein und Mosel auf dem Hunds
– Rück herumvagierenden Räuber und Mörder und Diebesbande“
denunzieren. In Trier registrierte man eine aus 30 Personen
bestehende Bande. Im Amt Bernkastel wurde 1766 eine aus 35 Personen
bestehende, vagierende Diebesbande festgestellt. Um 1780 ist die Rede
von einer solchen, die sich im Hochwald Gebiet angesammelt hatte.
In der Nacht vom 6. auf
den 7. April 1777 überfiel die bereits erwähnte Hannikel Bande das
Haus des Liebmann Levi zu Marienthal (Donnersbergkreis). Die Bauern
eilten dem Juden zu Hilfe und vertrieben die Räuber.
Dieses Räuberunwesen
wurde vielfach verklärt und vor allem durch den Schinderhannesmythos
wurde ein lokalpatriotischer Romantizismus in die Welt gesetzt, der
mit der damaligen Realität nichts gemeinsam hatte.
Um der damaligen Zeit
gerecht zu werden, muss man die Zeitspanne von etwa 1550 bis 1870 und
die politischen Auseinandersetzungen jener Zeit in Betracht ziehen:
die Bauernkriege, das Zeitalter der konfessionellen Gegensätze, mit
dem Höhepunkt des dreißigjährigen Krieges, die Expansionskriege
Ludwig XIV, insbesondere der pfälzische Erbfolgekrieg, bis hin zur
französischen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts. Solche
Krisenzeiten hatten eine Verelendung der Bevölkerung zu Folge.
Schließlich war der pfälzische Raum, vor allem der Pfälzerwald,
wegen seiner Unwegsamkeit und tiefen Wäldern, seiner territorialen
Zersplitterung sowie der Grenznähe zum französischen Gebiet, ein
sehr geeignetes Ausweichareal für Räuber und Räuberbanden.
hukwa
Lit. Hinweise:
Erich Renner - Zur Geschichte und
Beheimatung der Pfälzer Zigeuner;
Pfälzer Heimat - Heft 3. Sept. 1988
Hermann Arnold - Der
Schinderhannesmythos; Pfälzer Heimat; Heft 2; 1985;
Gustav Freytag - Bilder aus der
deutschen Vergangenheit;
Hermann Arnold - Das Vagantenunwesen in
der Pfalz während des 18. Jahrhunderts.
Mark Scheibe - Die Strafjustiz in Mainz
und Frankfurt/M. 1796-1803;
Forschungsportal Schinderhannes -
Schinderhannes -Forschung nach einem Forschungsprojekt an der
Johannes Gutenberg Universität Mainz, Stand. 2009;
Heinz Friedel - Der Hammelhannes;
Heimatbuch des Landkreises Kaiserslautern;
Karl Vogt - Das fahrende Volk in der
Pfalz; Würzburg 1921
Th. Zink - Hungersnot im Kanton
Bergzabern;
Gerold Scheuermann - Banden im
Pfälzerwald; Heimatjahrbuch des Landkreises Kaiserslautern; 1990.