Donnerstag, 8. November 2018

Näpfchen – Schalen – und Wetzrillensteine im Pfälzerwald - in Mythologie, Geschichte und Volkskunde

Lochstein bei Trippstadt - Foto©Hans Wagner


Näpfchensteine, Schalensteine und Wetzrillensteine trifft man öfters im Pfälzerwald an. Dabei kann man zwei Arten von Steinen unterscheiden: Von der Natur ausgehölte Steine, die durch Witterungseinflüsse entstanden sind und Steine die durch Menschenhand „ausgehöhlt“ und „ausgescharbt“ wurden. Letztere sind durch Pecken mit einem härteren Schlagstein oder auch durch Schaben und Bohren mit einem zugespitzten Stein unter der verwendung eines Andrücksteins entstanden. Die Näpfchen und Schalensteine die ich im Landkreis Kaiserslautern vorfand sind alle aus Buntsandstein und wurden wahrscheinlich mit einer härteren Steinart (Erzgestein?), die als Arbeitsgerät wie beschrieben, ausgehöhlt. Diese Steine wurden wohl aus rituellen Gründen bearbeitet der geistige Inhalt eines solchen Kultes aus der Frühgeschichte bleibt uns im Ganzen allerdings verborgen und wir sind auf Vergleiche aus dem gesamten europäischen Raum angewiesen. Meist finden sich solche Steine in der Nähe von alten Wegen die schon früh begangen wurden dort an einzeln stehenden Findlingen oder Felsrücken. Einen ausdrucksvollen Schalenstein fand ich in der Vermauerung einer alten Scheune in Trippstadt die im 18. Jahrhundert erbaut wurde, möglich wäre das der Stein in einem Waldstück abgetragen wurde wo sich eine uralte Opferstätte befand. 
Knochenfund beim Näpfchenstein - Foto©Hans Wagner
 
Europaweit finden sich Näpfchensteine auch vor Felsbildern und Felsritzzeichnungen offenbar ist vor diesen Urzeitbildern einst geopfert worden. Die meisten dieser Felsen tragen Vertiefungen (Näpfchen), kleine Gruben, deren Austiefungen wohl mit den Felszeichnungen gleichzeitig war. Wohl hat sich die Sitte solche Steine mit Vertiefungen mit den Megalithgräbern verbreitet und sie hängen mit einem Todenopfer zusammen. Dieses Ritual könnnte sich weiter zu einem Fruchtbarkeitsritual entwickelt haben. Wohl wurden Speiseopfer, Fett, Bier und Blut in den Näpfen dargebracht. Einige dieser Steine fand ich in der Feldmark hier dienten sie wohl dazu den Göttern ein Opfer zu bringen so dass eine gute Ernte gibt. Das Bohren in solchen Steinen wird in der homöopathisch-imitativen Magie mit dem Geschlechtsakt gleichgesetzt, ist also ein Fruchtbarkeitsritual.
Vor allem im Mittelalter wurden am Gemäuer von Kirchen Näpfchen ausgehöhlt das Steinmehl wurde mit Wein oder Bier vermischt und bei Krankheiten getrunken. Bei den Kirchen waren es vor allem sogenannte Wetzrillen die angebracht wurden.
Einen solchen Wetzrillenstein entdeckte ich vor vier Jahren in der Nähe eines Menhirs. Auch bei verschiedenen Menhiren wurden Näpfchen und Wetzrillen vorgefunden.
Beim Ausgraben eines Wetzrillensteins fand ich Scherben und Knochen, hier handelt es sich um eine rituelles Opfer. Haustieropfer sollten wohl den Haustierbestand sichern. Man opferte die Knochen während die Fleischteile beim Kultmahl verspeist wurden.
Menhire und Opfersteine wurden während der Christianisierung oft vergraben.
Auf mehreren Konzilien wurde der Steinkult verdammt. Synodalbeschlüsse wie beispielweise die von Arles (452), Tours (567), Nantes (658) und Mainz (743) warnten vor der Sünde, den Steinen zu opfern. Bei Nichtbefolgung wurde mit Exkomunizierung gedroht. Auf dem Konzil von Nantes erfolgte die Weisung, diese heidnischen Steine zu vergraben: „Steine, die sie in Ruinenstädten und Wäldern, von teuflichen Blendwerk getäuscht, verehren,wo sie gelübde ablegen und einlösen, soll man gänzlich ausgraben und wegschaffen an einen Ort, wo sie nie mehr von ihren Anhängern verehrt werden können“.

Wetzrillenstein gefunden in der Feldmark in Trippstadt - Foto©Hans Wagner


Wie die Menhire wurden auch die Wetzrillensteine und Näpfchensteine oft in Kirchen aber auch in profanen Bauten als Bausteine verwendet. Mit größter wahrscheinlichkeit dienten diese Kultsteine religiösen Zwecken. Der Stein stand als Bindeglied zwischen Dieseits und dem Jenseits.
In seinem monumentalen Werk über die Sitten und den Glauben der Völker „der Goldene Zweig“, schreibt Frazer über einen Steinkult bei den alten Griechen: „Sie kannten auch einen Milchstein, der in den Frauen eine reichliche Menge Milch erzeugte, wenn sie ihn in Honigmet aufgelöst tranken. Milchsteine werden heute noch von griechischen Frauen auf Areta und Melos zu demselben Zweck gebraucht. In Albanien tragen stillende Mütter diese Steine, um eine starke Milchabsonderung zu erzielen. Die Griechen glaubten von einem anderen Stein, dass er Schlangenbisse heile, und nannnten ihn den Schlangenstein. Um seine Wirkung zu erproben, brauchte man ihn nur zu Pulver zu mahlen und dieses auf die Wunden zu streuen.
Anscheinend war also nicht nur die Herstellung von Näpfchen ein Ritual sondern das abfallende Gesteinsmehl wurde in einem weiteren Ritual verwendet. Es handelt sich hier also um einen alten heidnischen Brauch, der sich über die Christianisierung hinübergerettet hat und bis ins Mittelalter auch in unserer Gegend weiter gepflegt worden ist. Dies beweisen die Wetzrillen an einigen Steinen bei Kirchenbauten so unter anderem in Weilerbach.
Jakob Grimm hat in seinen Ausführungen über den Aberglauben festgestellt, dass „er dass Leben unserer Voreltern nicht allein mit Furcht, sondern auch mit Trost“ erfüllt hat. In seiner „Deutschen Mythologie schreibt er: „Unter Aberglauben ist nicht der gesamte Inhalt des heidnischen Glaubens zu verstehen, sondern die Beibehaltung einzelner heidnischer Gebräuche und Meinungen. Der bekehrte Christ verwarf und verabscheute die Götter der Heiden. In seinem Herzen blieben aber noch Vorstellungen und Gewohnheiten haften, die ohne offenen Bezug auf die alte Lehre der neuen nicht unmittelbar zu widersprechen schienen. Da, wo das Christentum eine leere Stelle gelassen hatte, wo sein Geist die roheren Gemüter nicht sogleich durchdringen konnte, wucherte der Aberglaube oder Überglaube. Niederdeutsch sagt man Biglove, Beiglaube“.
Auch Carl Gustav Jung hat sich hat sich sehr nachhaltig über den Naturglauben und dessen positive Wirkungen ausgesprochen: „In dem Maße wie unser wissenschaftliches Verständnis zugenommen hat, ist unsere Welt entmenschlicht worden. Der Mensch fühlt sich im Kosmos isoliert, weil er nicht mehr mit der Natur verbunden ist und seine emotionale unbewusste Identität mit natürlichen Erscheinungen verloren hat. Diese haben allmählich ihren symbolischen Gehalt eingebüßt. Der Donner ist nicht mehr die Stimme eines zornigen Gottes und der Blitz nicht mehr sein strafendes Wurfgeschoß. In keinem Fluss wohnt mehr ein Geist, kein Baum ist das Lebensprinzip eines Mannes, keine Schlange die Verkörperung der weisheit, keine Gebirgshöhle die Wohnung eines großen Dämons. Es sprechen keine Stimmen mehr aus Steinen, Pflanzen und Tieren zu Menschen, und er selbst redet nicht mehr zu ihnen in dem Glauben, sie verständen ihn. Sein Kontakt mit der Natur ist verlorengegangen und damit auch die starke emotionale Energie, die diese symbolische Verbindung bewirkt hatte“.
hukwa

Lit.Hinweise:
Hans Wagner: Die Waldaxt.
Hans Wagner: Stand in Trippstadt einmal ein Menhir?
Herbert Kühne: Die Felsbilder Europas.
Wolfgang Bauer: Das ganz Andere im Stein.
James Frazer: der Goldene Zweig.
Jakob Grimm: Deutsche Mythologie.
C.G.Jung: Gesammelte Werke.
Albertus Magnus: Von den Tugenden der Kräuter und Steinen.