Sonntag, 28. Februar 2016

Die Kiefer - der Baum Merlins

Kein Baum bildet im mittleren und nördlichen Europa so ausgedehnte Wälder wie die Kiefer, auch Föhre, Forche oder Fohrle im Volksmund genannt. Diese Wälder heißen in fast ganz Norddeutschland auch „ Heiden „. Obgleich die Kiefer auf allen Bodenarten gedeihen kann, überwiegt sie auf Sandböden, die den meisten anderen Waldbäumen nicht zusagen. Nehmen wir eine junge Kiefer aus dem Boden, so sehen wir, dass sie ein gr0ßes und stark verzweigtes Wurzelgeflecht hat. Sie hält sich also wie mit tausend Armen in dem lockeren Grunde fest und steht um so sicherer, als sie eine Pfahlwurzel tief in die Erde senkt. Mit dem mächtigen Wurzelwerk durchzieht sie ferner eine sehr große Erdmasse, so das sie selbst unfruchtbarem Sandboden genügend Wasser und Nahrung entnehmen kann. Zahlreiche Wurzeln breiten sich bereits dicht unter der Erdoberfläche aus und vermögen so auch Tau und kleine Mengen von regen aufzusaugen, die von der verwesenden Nadelschicht des Waldbodens festgehalten werden. Die „ Waldstreu „zu entfernen ist daher für den Baum von Nachteil. Die feinsten Enden der Kiefernwurzel sind von Pilzfäden umsponnen. Aus vielfachen Versuchen ergibt sich, das sich die Kiefer, nur in solcher Erde kräftig entwickeln kann, die zahlreiche Pilzkeime enthält. Wahrscheinlich nehmen die Pilzfäden gewisse Nahrungsstoffe aus dem Boden, wozu die Kiefer allein nicht imstande ist. Der Stamm und die Zweige sind bei jungen Bäumen mit einer rötlichen Rinde, später aber mit einer dicken, graubraunen, rissigen Borke bedeckt. Aus Wunden fließt klebriges Harz hervor, das sich in allen Teilen der Kiefer findet. Es verschließt die Wundstellen,
verwehrt also Pilzkeimen, die Krankheit oder Fäulnis erregen, in die Pflanze einzudringen. Außerdem bildet es einen gewissen Schutz gegen Tierfraß. Der Stamm wächst in jedem Frühjahr um ein Stück, so das eine kerzengerade, bis fast 50m hohe Säule entstehen kann. Gleichzeitig bilden sich nahe am Ende des Stammes alljährlich mehrere quirlförmige gestellte Zweige. Daher zählt der jüngere Baum so viele Jahre als er „ Stockwerke „ aufweisen kann. Auch die Zweige wachsen fortgesetzt weiter, wobei sie sich regelmäßig verästeln, so das die junge Kiefer die Gestalt einer Pyramide bekommt. Später sterben die unteren Zweige des Baums aus Lichtmangel ab, während die oberen sich im lauf der Jahre immer stärker ausbreiten. Ältere Bäume eines Kiefernwaldes besitzen deshalb eine schirmförmige Krone. Im Frühjahr erscheinen junge Zweige, die Maitriebe, die aus braunen Knospen hervorgehen. Sie stehen zunächst aufrecht und werden von rostfarbenen , ausgefransten Blättchen, den Tragblättern, umhüllt. Diese sind untereinander verklebt und schützen die zarten, saftreichen Triebe. Später fallen sie ab, und die jungen Zweige neigen sich, mit Ausnahme des Gipfeltriebes zur Seite, nehmen also ihre bleibende Stellung ein. In der Achsel eines jeden Tagblattes entsteht frühzeitig ein kleiner Höcker, der ein Nadelpaar entwickelt. Da aus den Achseln von Blättern stets Seitensprossen hervorkommen, sind auch die Höcker kleine Sprossen: Der Maitrieb ist also ein Langtrieb mit zahlreichen Höckerartigen Kurztrieben. Die beiden Nadelförmigen Laubblätter sind Anfangs weich und von silberweißen Blättchen schützend umhüllt, die später auf Reste verschwinden. Infolge der Nadelform haben die Blätter eine verhältnismäßige kleine Oberfläche. Sie sind zudem von einer so dicken Oberhaut bedeckt, das sie hart und trocken erscheinen. In der Oberhaut befinden sich nur wenige Spaltöffnungen. So kommt es das die Kiefernadel wie die Blätter einer Trockenpflanze nur wenig Wasser verdunstet. Im Gegensatz zu den Laubbäumen, kann die Kiefer den größten Teil ihrer Blätter sogar während des trockenen Winters behalten: sie ist Immergrün.
Die einzelne Nadel lebt 2 – 3 Jahre. Die meisten Nadeln sitzen an den enden der biegsamen Zweige ; daher kommt es in schneereichen Wintern selten zu einem „ Schneebruch „ . Die Samenblüten stehen als rötliche Zapfen an der Spitze der Maitriebe und sind anfänglich wie diese von braunen Schuppen umhüllt. Die Kiefer wird vom Wind bestäubt. Die Bestäubung führt nicht gleich zur Befruchtung. Erst im nächsten Frühjahr treiben die Pollenkörner aus. der Kiefernwald nimmt in Deutschland einen bechtlichen Raum ein. Man unterscheidet reine Kiefernwälder von Mischwäldern aus Kiefern, anderen Nadelgehölzen und Laubwäldern. Das Tierleben im Kiefernwald ist um so reicher, je stärker die Strauch- und die Bodenpflanzenschicht entwickelt ist. Die Straucharmen, trockenen Kiefernwälder der Ebenen erscheinen oft wie ausgestorben, weil das Unterholz fehlt und viele Vögel weder Nahrung noch Unterschlupf finden. Eine große Anzahl von Kleingetier, Würmern, Spinnen und Käfern belebt den Kiefernwald. Manche sind schlimme Schädlinge z.b. die Raupen des Kiefernspanner, Nonne, Kieferneule, die oft ganze Wälder vernichten, vor allem aber die Borkenkäfer denen die vom Waldsterben betroffenen Wälder zum Opfer fallen. Dem Kleingetier folgen seine Feinde, der Kuckuck und die Spechte, aber auch die Meisen und Goldhähnchen, deren Lockrufe wir aus den Baumkronen vernehmen. Sehr häufig treffen wir hohe aus Kiefernnadeln, gebaute Ameisenhaufen an, sie werden vor allem vom Grünspecht durchwühlt, der die Bewohner als Leckerbissen schätzt. Mit Hilfe der Kiefer lässt sich selbst einem Sandboden, auf dem fast keine andere Nutzpflanze mehr gedeiht, noch ein Ertrag abringen. Sie liefert ein sehr wichtiges Bau und Werkholz, sowie den Rohstoff zu Packpapier und Pappen. Aus dem Harz gewinnt man Terpentinöl, das besonders vom Maler aber auch in der Heilkunde verwendet wird. Auch Geigenharz und Fasspech, gewinnt man daraus. Das Harz der Kiefer gilt als altes Heilmittel. Neben Fichte und Tanne gehört die Kiefer zu den Bäumen die in der Heilkunde seit Jahrhunderten als Lungenmittel eingesetzt werden. Man benutzt die Kiefer als Inhalation, als auch in Form von Bädern und Tee.
Die ältesten noch lebenden Bäume der Erde sind krüppelige und verwachsen wirkende Grannen – Kiefern. Sie verdanken ihr Alter von über 4 Jahrtausenden (nachgewiesenes Höchstalter 4700 Jahre) möglicherweise der Tatsache, dass sie an ihrem Hochgebirgsstandort in der Sierra Nevada die längste Zeit des Jahres vereist bei Tiefkühltemperaturen zubringen müssen. Als diese Bäume schon standen hatten wir in Europa noch die Bronzezeit.
In der Mythologie spielt die Kiefer eine bedeutende Rolle im Attis – Kult. Die Sage spricht davon dass der phrygische Gott, ein menschliches Wesen sei, dass in eine Kiefer verwandelt wurde. Wohl daher haben die Phrygier die Kiefer, vor allen anderen Bäumen verehrt. Über den Baumkult des Dionysos, lesen wir bei Frazer: " Zu den Bäumen, die ihm außer dem Weinstock besonders heilig waren, gehörte die Kiefer. Das delphische Orakel befahl den Corinthern, eine besondere Kiefer, in gleichem Maße wie den Gott zu verehren. Daher machten sie zwei Bilder von Dionysos daraus mit roten Gesichtern und goldenen Leibern. In der Kunst tragen der Gott oder seine Anhänger gewöhnlich einen Stab, an dessen Spitze ein Kiefernzapfen befestigt ist." Kiefernzapfen galten in der Antike als Sinnbild und Mittel der Fruchtbarkeit.
Im 3. und 4. nachchristlichen Jahrhundert, feierte man in Rom vom 15. bis 27. März, das fest der heiligen Kiefer. Ein Fest zu Ehren der Kybele und des Attis. Dieses Fest bei dem den Dendrophoren (Baumträgern) eine wichtige Rolle zu kam, war ein Vegetationsfest. Die Baumträger trugen die heilige Kiefer aus dem Wald, wo sie diese unter Ritualen gefällt hatten. Man umwickelte den Stamm des geschlagenen Baumes, mit wollenen Bändern wie ein leichnam, der den Gott Attis darstellen sollte. Jacques Brosse berichtet in seiner Mythologie der Bäume folgendes: "Am 23. März erklangen die Trompeten, die man vorher gereinigt hatte; sie kündigten wahrscheinlich den "Tag des Blutes" an. Am 24. März schnitt sich der Hohepriester des Attis, der Archigallus, in den Arm und bot der heiligen Kiefer sein Blut als Opfer an, während Zimbeln und Tamburine lärmten und die von grellen Flöten begleiteten Hörnern dröhnten. Auf dieses Signal hatten die anderen Priester gewartet; mit flatterndem Haar stürzten sie sich nun in einen wild wirbelnden Tanz, geißelten sich bis aufs Blut und schnitten sich mit den Messern..."
Auch die Merlinsage ist eng mit der Kiefer verknüpft. Für seine Prophezeiungen benutzte Merlin Bäume. Es gibt alte Texte die davon berichten dass Merlin meist unter einem Apfelbaum oder einer Kiefer lehrte. Am Brunnen von Barenton, der in der Merlinlegende eine wichtige Rolle spielt, stand eine heilige Kiefer, in die Merlin oft stieg, und in deren Wipfeln, er zur höchsten Erkenntnis gelangt sein soll.
Einen Bezug zur Kiefer finden wir bei den Griechen auch bei der Nymphe Pitys, die wie – Syrinx – in Gefahr war, von Pan vergewaltigt zu werden, diesem aber durch eine Metamorphose entging. Sie wurde zur Kiefer. Nach weiteren Legenden wurde die jungfräuliche Pitys gleichzeitig von Pan und Boreas, dem Nordwind begehrt. Da Pitys Pan vorgezogen hatte, blies Boreas mit solchem Zorn,, das er die Unglückliche von einer Klippe stürzte. Pan fand sie dort halbtod und verwandelte sie sogleich in eine Kiefer. Aus diesem Grund fließt seither, wenn im Herbst Boreas bläst, ein durchsichtiges Harz aus den Kiefernzapfen; es sollen die Tränen der Pitys sein.

Seit Altersher benutzt man das Harz der Kiefer in der Naturheilkunde und Volksheilkunde. Diesen Ausgangsstoff kennt man in vielen Zubereitungsarten. Zur Gewinnung des Harzes wurden die Kiefern angezapft. Aus diesem Harz wird das Terpentin hergestellt. Bereits vor 4000 Jahren nutzten die Ägypter Terpentin aus Kiefern zur Mumifizierung. Neben dem Terpentinöl erhält man bei der Destillation das festere Kolophonium, das Geigenharz.
Das Harz der Kiefer, ihre Sprossen und Nadeln wirken hustenreizstillend., auswurffördernd, antiseptisch, haut – und schleimhautreizend, durchblutungsfördernd, beruhigend und harntreibend.
Neben der Fichte und der Tanne, gehört die Kiefer zu den erprobten Lungenheilmitteln der Naturheilkunde.
Sitzt man in einem Kiefernwald, beleben die Ausdünstungen der Bäume die Bronchien. 
hukwa 

Hindenburgkiefer bei Johanniskreuz - Fotos © Hans Wagner





Aber auch der Föhrenwald
Lass ich mir nicht schelten
Wenn mein Jauchzen widerhallt
in dem sommerhellten!

Heiter ists und aufgeräumt
Und das Wehn der Föhren,
Wenn die Luft in ihnen träumt,
Angenehm zu hören!

Schlanken Riesenkindern gleich
Stehn sie da im Bunde,
Jedes erbt ein kleines Reich
Auf dem grünen Grunde.

Aber oben eng verwebt,
Eine Bürgerkrone
Die Genossenschaft erhebt
Stolz zum Sonnenthrone.

Schmach und Gram umfängt sie nie,
Nimmer Lebensreue;
Schnell und mutig wachsen sie
In des Himmels Bläue.

Wenn ein Stamm im Sturme bricht,
Halten ihn die Brüder;
Und er sinkt zur erde nicht,
Schwebend hängt er nieder.

Lieg ich so im Farrenkraut,
Schwindet jede Grille,
Und es wird das herz mir laut
In der Föhrenstille.

Weihrauchwolken ein und aus
Durch die Räume wallen –
Bin ich in ein Gotteshaus
Etwa eingefallen?

Doch der Unsichtbare lässt
Lächelnd es geschehen,
Wenn mein wildes Kirchenfest
Hier ich will begehen. 
Gottfried Keller