Mittwoch, 24. Oktober 2018

Vom Wilensteiner Burgfrieden

 
Foto©UteKW


Flurnamen aber auch die Namen geschichtlicher Persönlichkeiten kommen aus einer sehr fernen Zeit zu uns. Es ist uns oft möglich die Geschichte ihrer Wirkung bis in unsere Zeit zu verfolgen, doch die Person oder die tiefere Bedeutung eines Flurnamens bleibt uns meistens verborgen. Nur wenig Gesichertes ist uns darüber überliefert, und das Wenige das wir wissen oder wissen können, muss mühevoll aus alten Urkunden und Schriften erschlossen werden.
Bei den Flurnamen spielt die mündliche Überlieferung eine wichtige Rolle haben diese doch im Laufe der Jahrhunderte oftmals verschiedene Namen erhalten.
Über Landschaften, Flurnamen und Persönlichkeiten bildeten sich im Lauf der Jahrhunderte Legenden und oft mythische Interpretationen. Dann muss die historische Wahrheit vom Sagenhaften getrennt werden. Dennoch, vollständig verstehen und rekonstruieren können wir die Geschichte nicht. Es bleibt immer etwas dunkles und schattenhaftes.
Vieles können wir nur in Umrissen erkennen, das Nebulöse ist immer Teil der Geschichte. Vielleicht ist sie gerade deswegen so interessant.
Die meisten Menschen des Mittelalters waren, wenn sie nicht in einer der damaligen Städte lebten, ausgeschlossen von Kultur und Bildung. Nur in den Klöstern oder an den Fürstenhöfen bestand für ein kleines Klientel die Möglichkeit intellektueller Bildung, die fast ausschließlich vom Klerus getragen wurde. Auch lebte ein Großteil der damaligen Bevölkerung weit isoliert voneinander in kleinen Familienverbänden. Kunde haben wir fast nur von den Mächtigen, von den Adelsfamilien, Bischöfen und Kirchenfürsten. Der einfache Mensch, der Leibeigene, der Hintersasse, die Bauern und Handwerker bleiben fast immer im Dunkel der Geschichte verborgen. So bleibt die Persönlichkeit der Menschen des Mittelalters meist unsichtbar im dunklen Labyrinth der Geschichte. Hinzu kommt, dass bei Abschriften von alten Urkunden und Weistümern trotz größter Aufmerksamkeit immer wieder unbeabsichtigte Fehler unterlaufen. Sich in dieses historische Dunkel hinein zu arbeiten und etwas Licht in die Vergangenheit zu bringen ist die Aufgabe der heimatkundlichen Geschichtsforschung. Denn: Der Mensch im Hier und Jetzt will wissen woher er gekommen ist, will wissen wo seine Wurzeln sind. Daher ist die Beschäftigung mit der Heimatgeschichte für manche so wichtig, um den eigenen Standort in der Zeit zu finden und somit den Weg in die Zukunft hinein festlegen zu können.

In der Urkunde des ersten Burgfriedens von Wilenstein (1348) finden sich die Flurnamen Haselechterbrunnen und Hitzstein. Im Sonderheft der „Blätter zur Heimatgeschichte von Tripstadt und dem Wilensteiner Land“ schreibt Kurt Knebel über den Haselechterbrunnen: „...Wie Ernst Christmann meint, soll es sich um die Quelle handeln, die unterhalb des Köpfchens wo das Kaltenbornertal sich verengt entspringt, und heute keinen eigenen Namen hat. Ernst Bilfinger dagegen meint in dieser Bezeichnung den Moosbrunnen zu erkennen der am Nordrand des Hirschsprungs zwischen Weiherfelderhof und Mölschbach oberhalb des Mooswiesertals entspringt“.
Knebel selbst nennt keinen Standort des Brunnens sondern verweist auf seine Hinweise über den „Hitzstein“ im gleichen Heft: „…Der ehemalige, sogenannte Hitzstein ist nicht mehr vorhanden... Aus der alten Beschreibung eine genaue Deutung des Geländes herzuleiten ist nicht möglich. Ernst Bilfinger deutet den ehemaligen Hitzstein als ein Harbsbild römischer Legionäre im Haderwald, das aber schon zur Zeit Bilfingers im Steinbruch untergegangen ist.“
Bilfinger kann nur den alten Steinbruch „Bruchhalde“ oberhalb des Finsterbrunnertals meinen. In diesem Steinbruch wurden noch 1870 Steine gebrochen (Nachweis: Chronik von Schopp).
In der Urkunde des Wilensteiner Burgfriedens steht u.a.:

Wir Johann und Jakob Gebrüder von Flersheim bekennen und offentlichen mit dießem gegenwertigen Brief und thun Kund allen den die ihn...ansehen oder hören,lesen, daß wir gelobt und geschworen han zu den heiligen einen rechts Burgfrieden zu halten als recht und gewöhnlich ist Burgfrieden zu halten, mit unserem Junker Wyrich von Thun Herr zu dem Oberstein und seinen Erben zu Falklenstein uff Dornsberg und darum als verre als hier geschrieben steht, gerichte uff obwendig haßelechterbrunnen uff die Steig herab bis an das mittel weglein, in die herrechte bach und wieder uff die Leimgrube bei hinter Wilenstein uff dem Feld, von der Leimgrube bis an die Nabach bis zu dem alten Schafhof und mitten den Nabach in biß die Bach und von der Bach wieder uff die halbe, bis an deen rechten Tal an der seyte an der Slag und die Saltze wieder vor der Burg ob biß mitten an nicke das man heißt den hitzstein und von dem hitzstein unter durch die bach biß in den waldmanßthal uff bis uff den Koppel, da vor waldmanßthal wendet bis wieder uff die Steg vor haßelechter brune, der Burgfriede soll auch anderseits der falße für gemeinen Steinwurf von weihertal an dem nicke am hitzstein ohngepferd...“ (Auszug aus dem Wilensteiner Burgfrieden von 1348).

Johann und Jakob von Flörsheim schwören einen rechten Burgfrieden mit ihrem Junker Wirich III von Daun, Herrn zum Oberstein und seinen Erben zu Falkenstein, zu halten und beschreiben den Umkreis um die Burg in dem er gelten soll. Das Zusammenleben mehrerer Teilhaber auf einer Burg (wie auf Wilenstein) oder innerhalb einer eng miteinander verwachsenen Burgengruppe machte eine Rechtsordnung notwendig. Diese findet sich seit dem 13.Jahrhundert in dem Begriff des „Burgfriedens“. Meistens deckten sich Burgfrieden mit Besitz und Gemarkungsgrenzen. Der Burgfrieden war ein wichtiger Teil mittelalterlicher Burgenpolitik und diese war als Machtpolitik letztendlich Herrschaftspolitik. Von jeder Burg aus sollte Herrschaft durchgesetzt werden. Die Anlage einer Burg bedeutete Niederlassung einer Herrschaft oder Dynastie. Somit ist Burgenpolitik ein sehr wichtiges Element beim Entstehen der Staatlichkeit im Mittelalter gewesen. Die Träger dieser Burgenpolitik waren Könige, weltliche und geistige Fürsten, geistliche Orden, Vasallen und deren Dienstmannschaften. Im späteren Mittelalter konnte auch das städtische Bürgertum burgenpolitisch aktiv werden.
Wie weit reichte ein Burgfriedensbezirk? Das weiß man von den pfälzischen Burgen Wildenstein (1414), Gutenburg und Falkenburg (1379) dort war der Friedensbezirk durch Armbrustschussweite bestimmt.


Was das Bildnis (Habsbild) betrifft von dem Bilfinger spricht kann es natürlich möglich sein, dass sich ein solches einst in diesem Steinbruch befunden hat. Nur wenige Kilometer entfernt von dieser alten Bruchhalde ist die Heidelsburg (Waldfischbach) bei der sich das Bildnis eines römischen Försters (saltuaris) befindet. Ein solches oder etwas Ähnliches könnte sich auch in diesem Steinbruch befunden haben. Außerdem finden wir in einem Steinbruch bei Bad Dürkheim ebenfalls Inschriften aus römischer Zeit. Angesichts solcher Befunde drängt sich dem historisch denkenden Betrachter eine solche Annahme auf. Bei Johanniskreuz befindet sich eine Römerstraße und in der weiteren Umgebung wurden römische Funde gemacht so dass wir davon ausgehen können, dass dieses Gebiet von dem hier die Rede ist, die ihm zugewande historische Aufmerksamkeit verdient. Möglich, dass es sich bei dem sogenannten „Habsbild“ um ein römisches Feldzeichen gehandelt hat. Man muss auch bedenken, dass Bilfinger noch sehr stark mit der Volksüberlieferung arbeiten musste. Aber das Rätsel um den „Hitzstein“ ist vielleicht einfach zu lösen. Wahrscheinlich handelt es sich um einen der großen Felsen im weiteren Umfeld der Burg Wilenstein, nämlich einfach ein Stein der sich durch das Sonnenlicht erhitzt und der so gelegen ist, dass er zugleich auch eine Aussichtsplattform ist. Nicht immer müssen sich in Flurnamen historische Kuriositäten verbergen.
Der Haselechterbrunnen dürfte eindeutig identisch sein mit dem heutigen Haselbrunnen. In dem „neueren“ Namen hat sich die Erinnerung an den alten Flurnamen erhalten. Die Flurnamen zählen zu den Ortsnamen. Sie bezeichneten aber keine bewohnte, sondern eine in Wald und Flur liegende Örtlichkeit. Sie sind gebildet nach der Gestalt oder dem Zustand der Landschaft, in der die Flur liegt nach Tieren, Pflanzen (noch heute stehen beim Haselechterbrunnen Haselbäume) oder Felsen. Man muss zur richtigen Erklärung solcher Namen immer die älteste bekannte Form suchen, da sie in der Regel im Laufe der Zeit eine Veränderung erfahren.
Auch die Namen von Burgen und der Adelsgeschlechter die diese Gemäuer bewohnten, geht meist auf einen alten Flurnamen zurück. Beispiel hierfür sind die Burgen Beilstein, Falkenstein und Wilenstein die nach dem Fels benannt sind auf dem sie erbaut wurden. 

hukwa 



Literaturhinweise u. Verzeichnis:
H. M. Maurer: Rechtsverhältnisse der Hochmittelalterlichen Adelsburg.Signaringen 1976.
H. Ebner: Die Burg als Forschungsproblem mittelalterlicher Verfasssungsgeschichte.
E. Schrader: Das Befestigungsrecht in Deutschland von den Anfängen bis zu Beginn des 14.Jh.
V.Henn: Das Öffnungsrecht bei Burgen, seine Anfänge und seine Entwicklung in den Territorien
des 13. u. 16.Jh. Thübingen 1965
K. Knebel: Trippstadter Flurnamen. Sonderheft – Blätter zur Heimatgeschichte Trippstadt.
H. Friedel: Chronik der Gemeinde Schopp.
Aus dem Flurnamenarchiv von
Hans Wagner. Kopie - Urkunde des Wilensteiner Burgfriedens 1348
Ernst Bilfinger: Das Holzland.
Ernst Bilfinger: Johanniskreuz- eine Ortsgeschichte.
Grimm: Rechtsaltertümer.