Mittwoch, 24. Oktober 2018

Vom Wilensteiner Burgfrieden

 
Foto©UteKW


Flurnamen aber auch die Namen geschichtlicher Persönlichkeiten kommen aus einer sehr fernen Zeit zu uns. Es ist uns oft möglich die Geschichte ihrer Wirkung bis in unsere Zeit zu verfolgen, doch die Person oder die tiefere Bedeutung eines Flurnamens bleibt uns meistens verborgen. Nur wenig Gesichertes ist uns darüber überliefert, und das Wenige das wir wissen oder wissen können, muss mühevoll aus alten Urkunden und Schriften erschlossen werden.
Bei den Flurnamen spielt die mündliche Überlieferung eine wichtige Rolle haben diese doch im Laufe der Jahrhunderte oftmals verschiedene Namen erhalten.
Über Landschaften, Flurnamen und Persönlichkeiten bildeten sich im Lauf der Jahrhunderte Legenden und oft mythische Interpretationen. Dann muss die historische Wahrheit vom Sagenhaften getrennt werden. Dennoch, vollständig verstehen und rekonstruieren können wir die Geschichte nicht. Es bleibt immer etwas dunkles und schattenhaftes.
Vieles können wir nur in Umrissen erkennen, das Nebulöse ist immer Teil der Geschichte. Vielleicht ist sie gerade deswegen so interessant.
Die meisten Menschen des Mittelalters waren, wenn sie nicht in einer der damaligen Städte lebten, ausgeschlossen von Kultur und Bildung. Nur in den Klöstern oder an den Fürstenhöfen bestand für ein kleines Klientel die Möglichkeit intellektueller Bildung, die fast ausschließlich vom Klerus getragen wurde. Auch lebte ein Großteil der damaligen Bevölkerung weit isoliert voneinander in kleinen Familienverbänden. Kunde haben wir fast nur von den Mächtigen, von den Adelsfamilien, Bischöfen und Kirchenfürsten. Der einfache Mensch, der Leibeigene, der Hintersasse, die Bauern und Handwerker bleiben fast immer im Dunkel der Geschichte verborgen. So bleibt die Persönlichkeit der Menschen des Mittelalters meist unsichtbar im dunklen Labyrinth der Geschichte. Hinzu kommt, dass bei Abschriften von alten Urkunden und Weistümern trotz größter Aufmerksamkeit immer wieder unbeabsichtigte Fehler unterlaufen. Sich in dieses historische Dunkel hinein zu arbeiten und etwas Licht in die Vergangenheit zu bringen ist die Aufgabe der heimatkundlichen Geschichtsforschung. Denn: Der Mensch im Hier und Jetzt will wissen woher er gekommen ist, will wissen wo seine Wurzeln sind. Daher ist die Beschäftigung mit der Heimatgeschichte für manche so wichtig, um den eigenen Standort in der Zeit zu finden und somit den Weg in die Zukunft hinein festlegen zu können.

In der Urkunde des ersten Burgfriedens von Wilenstein (1348) finden sich die Flurnamen Haselechterbrunnen und Hitzstein. Im Sonderheft der „Blätter zur Heimatgeschichte von Tripstadt und dem Wilensteiner Land“ schreibt Kurt Knebel über den Haselechterbrunnen: „...Wie Ernst Christmann meint, soll es sich um die Quelle handeln, die unterhalb des Köpfchens wo das Kaltenbornertal sich verengt entspringt, und heute keinen eigenen Namen hat. Ernst Bilfinger dagegen meint in dieser Bezeichnung den Moosbrunnen zu erkennen der am Nordrand des Hirschsprungs zwischen Weiherfelderhof und Mölschbach oberhalb des Mooswiesertals entspringt“.
Knebel selbst nennt keinen Standort des Brunnens sondern verweist auf seine Hinweise über den „Hitzstein“ im gleichen Heft: „…Der ehemalige, sogenannte Hitzstein ist nicht mehr vorhanden... Aus der alten Beschreibung eine genaue Deutung des Geländes herzuleiten ist nicht möglich. Ernst Bilfinger deutet den ehemaligen Hitzstein als ein Harbsbild römischer Legionäre im Haderwald, das aber schon zur Zeit Bilfingers im Steinbruch untergegangen ist.“
Bilfinger kann nur den alten Steinbruch „Bruchhalde“ oberhalb des Finsterbrunnertals meinen. In diesem Steinbruch wurden noch 1870 Steine gebrochen (Nachweis: Chronik von Schopp).
In der Urkunde des Wilensteiner Burgfriedens steht u.a.:

Wir Johann und Jakob Gebrüder von Flersheim bekennen und offentlichen mit dießem gegenwertigen Brief und thun Kund allen den die ihn...ansehen oder hören,lesen, daß wir gelobt und geschworen han zu den heiligen einen rechts Burgfrieden zu halten als recht und gewöhnlich ist Burgfrieden zu halten, mit unserem Junker Wyrich von Thun Herr zu dem Oberstein und seinen Erben zu Falklenstein uff Dornsberg und darum als verre als hier geschrieben steht, gerichte uff obwendig haßelechterbrunnen uff die Steig herab bis an das mittel weglein, in die herrechte bach und wieder uff die Leimgrube bei hinter Wilenstein uff dem Feld, von der Leimgrube bis an die Nabach bis zu dem alten Schafhof und mitten den Nabach in biß die Bach und von der Bach wieder uff die halbe, bis an deen rechten Tal an der seyte an der Slag und die Saltze wieder vor der Burg ob biß mitten an nicke das man heißt den hitzstein und von dem hitzstein unter durch die bach biß in den waldmanßthal uff bis uff den Koppel, da vor waldmanßthal wendet bis wieder uff die Steg vor haßelechter brune, der Burgfriede soll auch anderseits der falße für gemeinen Steinwurf von weihertal an dem nicke am hitzstein ohngepferd...“ (Auszug aus dem Wilensteiner Burgfrieden von 1348).

Johann und Jakob von Flörsheim schwören einen rechten Burgfrieden mit ihrem Junker Wirich III von Daun, Herrn zum Oberstein und seinen Erben zu Falkenstein, zu halten und beschreiben den Umkreis um die Burg in dem er gelten soll. Das Zusammenleben mehrerer Teilhaber auf einer Burg (wie auf Wilenstein) oder innerhalb einer eng miteinander verwachsenen Burgengruppe machte eine Rechtsordnung notwendig. Diese findet sich seit dem 13.Jahrhundert in dem Begriff des „Burgfriedens“. Meistens deckten sich Burgfrieden mit Besitz und Gemarkungsgrenzen. Der Burgfrieden war ein wichtiger Teil mittelalterlicher Burgenpolitik und diese war als Machtpolitik letztendlich Herrschaftspolitik. Von jeder Burg aus sollte Herrschaft durchgesetzt werden. Die Anlage einer Burg bedeutete Niederlassung einer Herrschaft oder Dynastie. Somit ist Burgenpolitik ein sehr wichtiges Element beim Entstehen der Staatlichkeit im Mittelalter gewesen. Die Träger dieser Burgenpolitik waren Könige, weltliche und geistige Fürsten, geistliche Orden, Vasallen und deren Dienstmannschaften. Im späteren Mittelalter konnte auch das städtische Bürgertum burgenpolitisch aktiv werden.
Wie weit reichte ein Burgfriedensbezirk? Das weiß man von den pfälzischen Burgen Wildenstein (1414), Gutenburg und Falkenburg (1379) dort war der Friedensbezirk durch Armbrustschussweite bestimmt.


Was das Bildnis (Habsbild) betrifft von dem Bilfinger spricht kann es natürlich möglich sein, dass sich ein solches einst in diesem Steinbruch befunden hat. Nur wenige Kilometer entfernt von dieser alten Bruchhalde ist die Heidelsburg (Waldfischbach) bei der sich das Bildnis eines römischen Försters (saltuaris) befindet. Ein solches oder etwas Ähnliches könnte sich auch in diesem Steinbruch befunden haben. Außerdem finden wir in einem Steinbruch bei Bad Dürkheim ebenfalls Inschriften aus römischer Zeit. Angesichts solcher Befunde drängt sich dem historisch denkenden Betrachter eine solche Annahme auf. Bei Johanniskreuz befindet sich eine Römerstraße und in der weiteren Umgebung wurden römische Funde gemacht so dass wir davon ausgehen können, dass dieses Gebiet von dem hier die Rede ist, die ihm zugewande historische Aufmerksamkeit verdient. Möglich, dass es sich bei dem sogenannten „Habsbild“ um ein römisches Feldzeichen gehandelt hat. Man muss auch bedenken, dass Bilfinger noch sehr stark mit der Volksüberlieferung arbeiten musste. Aber das Rätsel um den „Hitzstein“ ist vielleicht einfach zu lösen. Wahrscheinlich handelt es sich um einen der großen Felsen im weiteren Umfeld der Burg Wilenstein, nämlich einfach ein Stein der sich durch das Sonnenlicht erhitzt und der so gelegen ist, dass er zugleich auch eine Aussichtsplattform ist. Nicht immer müssen sich in Flurnamen historische Kuriositäten verbergen.
Der Haselechterbrunnen dürfte eindeutig identisch sein mit dem heutigen Haselbrunnen. In dem „neueren“ Namen hat sich die Erinnerung an den alten Flurnamen erhalten. Die Flurnamen zählen zu den Ortsnamen. Sie bezeichneten aber keine bewohnte, sondern eine in Wald und Flur liegende Örtlichkeit. Sie sind gebildet nach der Gestalt oder dem Zustand der Landschaft, in der die Flur liegt nach Tieren, Pflanzen (noch heute stehen beim Haselechterbrunnen Haselbäume) oder Felsen. Man muss zur richtigen Erklärung solcher Namen immer die älteste bekannte Form suchen, da sie in der Regel im Laufe der Zeit eine Veränderung erfahren.
Auch die Namen von Burgen und der Adelsgeschlechter die diese Gemäuer bewohnten, geht meist auf einen alten Flurnamen zurück. Beispiel hierfür sind die Burgen Beilstein, Falkenstein und Wilenstein die nach dem Fels benannt sind auf dem sie erbaut wurden. 

hukwa 



Literaturhinweise u. Verzeichnis:
H. M. Maurer: Rechtsverhältnisse der Hochmittelalterlichen Adelsburg.Signaringen 1976.
H. Ebner: Die Burg als Forschungsproblem mittelalterlicher Verfasssungsgeschichte.
E. Schrader: Das Befestigungsrecht in Deutschland von den Anfängen bis zu Beginn des 14.Jh.
V.Henn: Das Öffnungsrecht bei Burgen, seine Anfänge und seine Entwicklung in den Territorien
des 13. u. 16.Jh. Thübingen 1965
K. Knebel: Trippstadter Flurnamen. Sonderheft – Blätter zur Heimatgeschichte Trippstadt.
H. Friedel: Chronik der Gemeinde Schopp.
Aus dem Flurnamenarchiv von
Hans Wagner. Kopie - Urkunde des Wilensteiner Burgfriedens 1348
Ernst Bilfinger: Das Holzland.
Ernst Bilfinger: Johanniskreuz- eine Ortsgeschichte.
Grimm: Rechtsaltertümer.






Sonntag, 21. Oktober 2018

Am besten wenn er weint... oder als Ritter Reyner von Hohenecken seine Leibeigene verkaufte.

rustica gens est optima flens, sed pessima gaudens“ 
Foto - Burg Hohenecken©UteKW
 

Im Breidenborner Kopialbuch das Aufzeichnungen aus der Zeit von 1288 bis 1430 enthält finden sich folgende Niederschriften:

Ritter Reyner von Hohenecken und seine Frau Demud bekunden, das sie ihren Leibeigenen (arman) Peter von Ransweiler für 8 Pfund Heller Philipp von Breitenborn verpfändet haben. Falls die Aussteller den Leibeigenen wieder einlösen, sollen sie erst nach Monatsfrist in ihre Rechte eintreten.
Siegler: Aussteller.
Datum: 1383 feria quarta proxima post dominicam Reminiscere.

Rittter Reinhart von Hohenecken verkauft dem Edelknecht Philips von Breidenborn und Ecke von Kaiserslautern seinen Leibeigenen (armen manne) Huck Scheffer von Breitenau mit Frau und Kindern, die ihm bei der Erbteilung mit seinem Bruder Beymond zugefallen sind, und behält sich allein für seine Person den Wiederkauf mit 10 rheinischen Gulden vor.
Siegler: Aussteller.
Datum: 1387 die nonas Junni.

Ritter Sifrid von Wildenstein tauscht mit Demude von Breidenborn seinen Leibeigenen (der mir zugehörig) Hans Franck gegen deren Leibeigene Katherine, Tochter des verstorbenen Huge Schefer von Neukirchen.
Siegler: Aussteller.
Datum: uff den dinstag vor unser frauwen dag keritzewyhe 1393.

Solche Aufzeichnungen fern jeglicher mittelalterlicher Romantik zeigen uns ein realistisches Bild vom „Glanz und Elend“ (Ferdinand Seibt) des Mittelalters. Denn das Mittelalter war letztendlich nichts anderes als die Geschichte von Mangel, Elend, Krankheit und Hunger.
Der Adel repräsentierte, vor allem in der ländlichen Welt, die öffentliche Autorität. In fast allen Teilen Europas stellte der örtliche Grundherr oder ein von ihm beauftragter Vertreter für die in seinem Herrschaftsbezirk lebenden Menschen praktisch die Regierungsgewalt vor.
Bestimmt haben die Leibeigenen geweint wenn sie oder ihre Kinder verkauft wurden doch ihre Herrschaft hat dies nicht gestört.

Rustica gens est optima flens, sed pessima gaudens“ (Der Bauer ist am besten,wenn er weint, und am schlechtesten wenn er lacht), war ein geflügeltes Wort des Mittelalters. Der Leibeigene galt als ein Untermensch, als ein eher dem Tierreich als der Menschheit zuzurechnendes Lebewesen oder, wie ein bayerischer Beamter es noch 1737 ausdrückte, als Kreuzung zwischen Tier und Mensch.
Die Ursprünge der Leibeigenschaft lassen bis in die unruhigen Zeiten der Spätphase des römischen Reiches zurückverfolgen, als kleine, freie Pachtbauern sich unter den Schutz mächtigerer Herren stellten und Sklaven durch die Ausstattung mit Parzellen zu hörigen Bauern wurden. Die Wirren der darauffolgenden Jahrhhunderte stärkten die Herrschaft der adligen Herren, immer mehr Bauern wurden als Unfreie eingestuft und bis zum 10. Jahrhundert waren die meisten Bauern Hörige geworden.

Der Philosoph und Historiker Christoph Helferich bezeichnete in seiner „Geschichte der Philosophie“ das Mittelalter als „barbarische Übergangszeit“ und der englische Historiker Toynbee sprach über diese Epoche von einer Zeit „tiefen Schlafs“.
Das heute oft unrealistische Bild des Mittelalters hat nie existiert. Mittelalter Romantik beruht auf dem rückwärtsgewanten Weltbild der deutschen Romantik. Wenn Novalis schrieb: „Es waren schöne glänzende Zeiten, wo Europa ein christliches Land war, wo Eine Christenheit diesen menschlich gestalteten Weltteil bewohnte,“ ist dies eine absolut falsche Wiedergabe dieser dunklen Epoche. Vor allem die falsche Auslegung der christlichen Lehre durch die Herrschenden und den Klerus trug zu den Unmenschlichkeiten bei. Die Kirche lehrte das die Innerlichkeit die Wesensbestimmung des Menschen sei was bedeutet dass der Mensch sich von allen äußerlichen abkehren soll um wahrhaft Mensch zu sein. Die Folge einer solchen Einstellung muss Verhängnisvoll sein, denn das Bewusstsein das der Mensch für die Gestaltung der Welt verantwortlich ist kommt gar nicht erst auf und die Welt „schläft“ weiter.
Ein freies Personenbewusstsein wie wir es heute kennen gab es damals nicht, daraus ergibt sich für den mittelalterlichen Menschen der ständige Zwiespalt zwischen Glauben und Realität. Und dieser Zwiespalt beherrscht das ganze Mittelalter.
Geschichte und Geschehen sind durch drei Konstanten in der Geschichtsforschung festgelegt:
durch den Ort, durch die Zeit und durch den Menschen. Den der Mensch ist in seine Epoche hineingeboren und ob er will oder nicht – er muss sich mit dieser Zeit auseinandersetzen!
Papst Innozenz III. (1198 – 1216) schrieb in seinem Werk „Über das Elend menschlichen Daseins“... „Wer gibt meinen Augen den Tränenquell, dass ich beweine den bejammenswerten Eintritt in die Bedingungen menschlichen Daseins, beweine das schuldhafte Fortschreiten menschlichen Lebens, beweine das verdammenswerte Ende menschlicher Vernichtung?“
Er beschreibt die Stufen von Geburt, Leben und Tod wie man im Mittelalter wohl darüber dachte:
Geschaffen ist der Mensch aus Staub, aus Lehm, aus Asche, und was nichtswürdiger ist: aus ekeleregendem Samen. Empfangen ist er in der Geilheit des Fleisches, in der Glut der Wollust, und was noch niedriger ist: im Sumpf der Sünde. Geboren ist er für die Furcht, für den Schmerz, und was noch elender ist: für den Tod“.
Eine starke Trostlosigkeit geht von dem Traktat Innozenz III aus doch es gibt noch einige Texte aus dieser Zeit in der die damalige Welt als „Jammertal“ beschrieben wird.
Im Mittelalter war die Zahl der Menschen die keine Rechte besaßen, wie Leibeigene und Unfreie, sehr hoch gewesen. Da sie Rechtlos waren wohnten sie in der Regel auf dem Hof des Grundherrn, sie durften das Gebiet ihrer Herrschaft nicht verlassen, wenn sie eine Ehe eingehen wollten mussten sie bei ihrem Herrn die Erlaubnis einholen.
Die der Leibherrschaft unterworfenen Leibeigenen waren zusätzlich zur Leistung von Leibzins verpflichtet. In den Augen seiner Herrschaft war der Leibeigene keine Person, sondern eine Sache, ein Teil der beweglichen Habe seines Besitzers.
Tausend Jahe lang stellten Leibeigenschaft und das Fehlen persönlicher Freiheit die Daseinsbedingungen der Mehrzahl der europäischen Landbewohner dar. Sie gehörtem jenem gesellschaftlichen Stand an, der als Bauernschaft bekannt ist. Durch den Zufall der Geburt dieser niedrigsten Schicht zugehörig, waren sie von Rechten, Privilegien und Freiheiten ausgeschlossen, die den anderen Ständen zukammen. Sie waren dazu verurteilt, in Abhängigkeit von denen zu leben, die im sozialen Gefüge über ihnen standen, ihnen zu gehorchen, ihnen Abgabe und Dienste in Form von barer Münze, Naturalien und Arbeitskraft zu leisten.
Erst im 18.Jahrhundert als der „Altweibersommer des europäischen Adels“ begann kam auch das Ende der Leibeigenschaft.
Foto Burg Hohenencken©UteKW


hukwa







Literaturhinweise:
Rössler: Sachwörterbuch zur Deutschen Geschichte.
Breidenborner Kopialbuch 1288 – 1430.
Ferdinand Seibt: Glanz und Elend des Mittelaters – eine endliche Geschichte.
Theodor Schieder: Handbuch der europäischen Geschichte.
Wilhelm Volkert: Adel bis Zunft – Lexikon des Mittelalters.
Papst Innozenz III: Über das Elend menschlichen Daseins.

Signatur der Lüfte

Kraniche ziehen wieder über das Dorf 
am Abend aus dem Schlehengebüsch 
die Herbstmelodie des Rotkehlchens. 
hukwa  

Bald naht der November und die Kraniche ziehen wieder übers Dorf. Das ist für mich jedes Jahr ein sehr stimmungsvolles Ereignis. Mit diesen Zugvögeln fliegt der Winter mit. Schön das sie noch fliegen die mythischen Kraniche.
Der Artenverlust auf unserer Erde hat in den letzten 40 Jahren so rasant und tödlich massiv stattgefunden wie selten in der Geschichte unseres Planeten. Doch die Kraniche ziehen noch auf ihren uralten luftigen Heerstrassen. Für mich strahlen sie etwas irdisches und kosmisches zugleich aus. Nach vielen Jahren der Beobachtung habe ich sogar gelernt ein wenig in ihrem Flug zu lesen. In dieser Signatur der Lüfte, die sie für Momente hinterlassen.
hukwa

Mittwoch, 17. Oktober 2018

Haiku

Der alte Weidepfosten weist
vom Herbstreif vereist
in den Winter.
hukwa

Samstag, 6. Oktober 2018

Die geheimnisvolle Welt der Pilze

Pilze sind faszinierende Wesen und weil sie so ganz anders sind als alle anderen Lebewesen um uns herum, wurden sie lange Zeit ins Reich der Hexen, Teufel und Geister verbannt. Ihre volkskundlichen Namen geben uns zum Teil noch eine Ahnung davon: Teufelspilz, Hexenpilz, Satanspilz, Eselsohr, Fliegenpilz usw.

Wenn es im Herbst nicht zu kalt ist und es dazu noch einige Tage geregnet hat, "schießen" die Pilze regelrecht aus dem Boden. Ihr erstaunlich schneller Wuchs bewirkt, dass die Menschen sie von alters her als rätselhafte Verbindung zwischen der gewohnten Welt und der Welt der Naturgeister ansahen. Eine Welt, die von wunderbaren und seltsamen Wesen bewohnt war. Pilze umgibt die Aura des Geheimnisvollen. Sie sehen so ganz anders aus als die anderen Organismen, die wir in der Natur vorfinden. Sie haben meist eigenartige Formen und auffallende Farben. Dadurch brachte man sie eher mit der Welt der Gnome und Zwerge in Verbindung als mit der uns umgebenden Wirklichkeit. So ist es auch kein Wunder, dass die Pilze seit ältesten Zeiten in Verdacht stehen Werkzeuge von Hexen und Zauberern zu sein.
Besonders Hexenringe waren für die Menschen sehr faszinierend. Man dachte, es wären Hinweise auf dunkle, teuflische Aktivitäten. Manche glaubten, dass die Pilze in dem seltsamen Kreis die Spuren eines nächtlichen Tanzes beim Hexensabbat seien. Andere wiederum dachten, der Ring bezeichne den Platz, wo ein Blitz in die Erde gefahren sei, dabei habe er elektrische Energien entwickelt die sich sternförmig ausbreiten. Hexenringe wurden dem Aberglauben nach auch durch unterirdische Dämpfe gebildet die geheimnisvollerweise als ringförmiger Rauch auf die Erde kamen.

Zu einer Zeit in der man noch an die Existenz von Elfen, Geistern und Hexen glaubte, entstanden die Bezeichnungen "Hexenring" und "Elfenhof". Im fahlen Licht des Mondes tanzten Feen und Elfen auf einer kreisrunden Tanzfläche und ruhten sich auf kleinen Pilzen aus. In seinem Stück „Der Sturm“ deutet William Shakespeare dies an:

Pilzfotos©UteKW

"... halbe Zwerge die ihr
Bei Mondschein grüne saure Ringlein macht,
Wovon das Schaf nicht frisst; die ihr zur Kurzweil
die nächtgen Pilze macht; die ihr am Klang
der Abendglock euch freut;..."




Redet der Wissenschaftler von Pilzen, so spricht er stets von Myzelien, denn das was der Mensch normalerweise zu Gesicht bekommt und als "Pilz" bezeichnet, ist nicht der eigentliche Pilz, sondern nur dessen Fruchtkörper!
Der eigentliche Pilz befindet sich unter der Erde, oder bei Baumpilzen im Holz. Die Myzelien sind feine Härchen die sich weit im Boden ausbreiten und eine beachtliche Größe erreichen können. Ein Quadratkilometer ist hier keine Seltenheit!
Der größte lebende Organismus ist ein Hallimasch in Michigan/USA der vor einigen Jahren entdeckt wurde. Er ist über 9 Quadratkilometer groß!



Auch in der Medizin spielen Pilze eine wichtige Rolle. Die positive Wirkung vor allem asiatischer Heilpilze auf das Immunsystem ist inzwischen unbestritten. Und ohne Penicillin wäre die moderne Medizin undenkbar. Der berüchtigte Fliegenpilz wird seit vielen Jahren in der Homöopathie als Arzneimittel angewandt. Der sensationelle Fund der 5300 Jahre alten Gletschermumie „Ötzi“ zeigt, dass Pilze schon bei unseren vorindogermanischen Ahnen eine arzneiliche Rolle gespielt haben. Ötzi hatte zwei getrocknete Pilze aus der Gruppe der Porlinge, auf eine Schnur gezogen, bei sich. Die Pilze sind wahrscheinlich als Birkenporling oder als Lärchenporling zu bestimmen und man weiß inzwischen, dass diese nicht als „Zunderschwämme“ verwendet wurden, sondern einen medizinischen Zweck hatten. Auch in Deutschland wird der Ausdruck Mykotherapie immer bekannter.
Sinngemäß bedeutet Mykotherapie Heilbehandlung mit Pilzen und pilzlichen Substanzen und ist von Phytotherapie, der Heilbehandlung mit Pflanzen abgeleitet. So konnte mittels Studien nachgewiesen werden, dass manche Pilze das Immunsystem stärken und regulieren. Ein gut funktionierendes Immunsystem ist der Schlüssel zur Gesundheit. Denn nur wenn die Abwehr funktioniert, bleibt bzw. wird der Mensch gesund. Das Immunsystem ist teilweise im Darm lokalisiert. Hier stärken Pilze die gesunde Darmflora, fördern die Verdauung, entgiften und bewahren das natürliche Gleichgewicht an Mikroorganismen.
Pilze bieten eine ungewöhnliche Vielfalt an Heilwirkungen. In der asiatischen Medizin werden sie seit Jahrtausenden angewandt. Aber auch in den Kräuterbüchern der Antike tauchen sie auf, so bei Dioskurides und Plinius. Auch Hieronymus Boch erwähnte Pilze in seinen Heilbüchern. So die Stinkmorchel, den echten Zunderschwamm, den Hallimasch und das Judasohr. Wissenschaftler testeten 1975 den Schopftintling. Dabei stellten sie fest, dass schon eine kleine Menge des Pilzes zu erheblichen Senkung des Blutzuckerspiegels führte. Ein handelsübliches Antidiobetikum, das als Kontrollsubstanz verwendet wurde, wirkte nur geringfügig stärker als der Schopftintling. Der Glänzende Lackporling, wird in der Krebstherapie eingesetzt. In letzter Zeit ist in Deutschland der Austernseitling als Heilpilz bekannt geworden.
Die medizinische Verordnung von Pilzen oder pilzlichen Substanzen gehört aber auf jeden Fall in die Hände eines Arztes! Selbstmedikationen können hier fatale Auswirkungen haben, bei Giftpilzen sogar tödlich sein!

Wegen ihres geringen Kaloriengehalts und den enthaltenen Vitaminen und Ballaststoffen sind die Speisepilze auch ein wertvolles Nahrungsmittel.
Man sollte sich beim Sammeln von Pilzen aber immer einer pilzkundigen Führung anschließen, da auch bei den gängigen Speisepilzen große Verwechslungsgefahr durch Giftpilze möglich ist!
hukwa