Mittwoch, 23. August 2017

Herbstferien in Trippstadt anno 1812

In den Jahren 1807 bis 1820 war Johann Peter Fabricius protestantischer Pfarrer in Trippstadt. Davor war Fabricicus lutherischer Freiprediger und Lateinlehrer in Pirmasens.
In Trippstadt besuchte ihn 1812 sein ehemaliger Schüler und späterer Professor für Theologie, Johann Friedrich Bruch. Dieser war der Verfasser einiger theologischer Werke. In seinen „Kindheits- und Jugenderinnerungen“ erinnert er sich u.a. an die Herbstferien im Jahre 1812, die er in Trippstadt verbrachte:


Die Herbstferien, welche der damaligen Ordnung nur den October durch dauerten, brachte immer bei meinen Eltern zu. Gewöhnlich machte ich während derselben einen Besuch bei Pfarrer Fabricius, der unterdessen nach Trippstadt bei Kaiserslautern war versetzt worden. Dort fand ich immer die liebevollste Aufnahme und verbrachte glückliche Tage. Die Familie des guten Fabricius und die Verhältnisse, in welchen sie lebte, hätte einem Dichter einen ebenso reichen und anziehenden Stoff dargeboten, als die von Sessenheim dem großen Goethe. Ihn selbst habe ich bereits nach seinen Kenntnissen und nach seiner Lehrgabe geschildert. Er war ein kleiner, etwas untersetzter Mann, mit einer echt oberdeutschen Physiognomie, sehr lebhaft und in der Unterhaltung nicht ohne Witz. Seine Frau, die in ihrer Jugend sehr schön gewesen, hatte noch in älteren Jahren eine ungemein anziehende, sanfte Physiognomie und etwas Wohltuendes in Stimme und Sprache. Der Kinder waren neun. Die älteste Tochter, Friedericke, ungefähr von gleichem Alter mit mir, war eine seelenvolle, anziehende Erscheinung. Man konnte sie nicht gerade schön nennen, allein ihre Züge waren sehr angenehm, ihr Bild treuherzig und geistreich. Sie hatte eine klangreiche Stimme und sang sehr schön, ob sie gleich nie Unterricht im Singen gehabt hatte. Die zweite Tochter, Carolina, war schöner: Sie hatte prachtvolles blondes Haar und regelmäßige feine Züge. Allein ihr Wesen war weniger ansprechend und ihre Bildung weiniger ausgezeichnet, als die ihrer älteren Schwester. Friedericke wirkte sehr anziehend auf mich. Sie teilte mir ihre poetischen Versuche mit, die von einer nicht geringen Anlage zeugten. Es blieb mir nicht verborgen, daß sie sich auch zu mir hingezogen fühlte und hätte es in meinem Geschicke gelegen, in Rheinbaiern eine Pfarrstelle zu erhalten, so würde ich unbedenklich meine Hand angeboten haben.
Diese Familie bewohnte nun ein erbärmliches Pfarrhaus: es bestand nur aus einem Bodengeschoß an das sich unmittelbar die Stallung anschloß. Daneben war ein kleiner Garten. Auch zeugte das Innere des Hauses, trotz der hier herrschenden Reinlichkeit und Ordnung davon, daß hier kein Reichtum zu finden war. Indessen herrschte in der Familie ein heiterer Geist, und fast den ganzen Tag hindurch ließ sich die sangreiche Stimme der beiden Schwestern vernehmen, während die jüngeren Geschwister sich munter in der Wohnstube herumtummelten.
Trippstadt liegt mitten in einer waldreichen Gegend auf einer Hochebene, die weinig Reize darbietet. Umso reizvoller ist das Carlsthal, das sich an der einen Seite der Höhe hinzieht. Herrlich bewachsen, mit interessanten Felsenpartien, wird es durch einen über Kieseln und Felsentrümmern hinbrausenden ziemlich breiten Waldbach durchschnitten. An dem einen Ende des Thales erhebt sich eine ansehnliche Bergruine, unterhalb welcher große Eisenwerke sich befinden. In dem Thale selbst, unter einem am Abhang des Berges sich erhebenden Felsen, hatte ein Einsiedler seine Klause erbaut. Dieses Thal war nun täglich das Ziel unserer Spaziergänge. Hier trug mir Friedericke ihre Gedichte vor; hier lasen wir zusammen gute Bücher; die beiden Schwestern ließen das Thal von ihrem Gesang ertönen; es wurden Blumen gepflückt. Nicht selten wurde ein bescheidenes Abendessen von Hause aus mitgenommen, das dort am rauschenden Bache, im Schatten herrlicher Buchen, eingenommen wurde. Die Tage, welche ich in jener guten, liebevollen Familie zubrachte, haben in mir ein überaus freundliches Andenken zurückgelassen. Sie bilden in meinem Leben wie ein Idyll. Alles ist mir nach langen Jahren noch gegenwärtig, wie wenn es sich erst vor wenigen Tagen zugetragen hätte, und ich muß gestehen, daß ich immer ein eigene Bewegung des Herzens empfinde, wenn ich mich in diese Familie und die in ihrem Schoße verlebten Tage zrückversetze.“

hukwa
Literaturhinweise:
Kindheits- und Jugenderinnerungen von Dr. Friedrich Bruch, aus seinen schriftlichen Aufzeichnungen mitgeteilt von Theodor Gérold 1889