Es war Goethe der den Spruch prägte:
„Nur wo du zu Fuß warst, warst du wirklich“. Goethe wollte mit
diesem Satz einfach aussagen, dass eine bewusste Wanderung weitaus
mehr Eindrücke in uns hinterlässt als das Reisen in der Kutsche,
heute sagen wir als das Reisen im Auto.
Mit Sicherheit nimmt man die Landschaft
bewusster wahr wenn man sie erwandert. Durch eine Landschaft zu
Wandern hat etwas mit erfahren zu tun, ich „er – fahre“ die
Landschaft. Während einer Wanderung teilt sich mir die Landschaft
mit. So ist Wandern auch eine Beschäftigung mit dem eigenen Geist.
Während des bewussten Gehens tritt der Moment ein in dem Geist und
Körper eine Harmonie bilden und man spürt alsbald eine
Ganzheitlichkeit in sich.
In früheren Zeiten, bevor die ersten
Eisenbahnen fuhren, war Laufen und Wandern etwas ganz alltägliches.
Nur wohlhabende Menschen konnten es sich leisten sich mit der Kutsche
oder dem Pferd von Ort zu Ort zu bewegen, die einfache Bevölkerung
musste laufen.
Die Wege und Straßen waren damals noch
Orte der Kommunikation. Man tauschte sich aus, erfuhr an Brunnen und
Dorfplätzen Neues und trug so die Nachrichten in die Städte und
Dörfer.
Es war ein buntes Volk das damals die
Straßen und Wege bevölkerte. Bauern und Tagelöhner, auf dem Weg
zum Feld und zur Arbeit. Viehtreiber, Packesel- und Ochsenführer.
Bettler, Viehhändler und Hausierer. Kleine Geschäftsleute die
Besen, Schnürsenkel, Schuhe, Uhren, Kräuter, Glas, Bürsten und
andere Artikel zu ihren Kunden brachten. Ein buntes Völkchen in
bunten Kleidern. Manche hatten aus Leinen genähte sogenannte Quer-
oder Zwerchsäcke auf dem Rücken. Andere trugen hölzerne mit Waren
beladene Traggestelle, die der Volksmund „Huchen“ oder „Hürdeln“
nannte. Frauen trugen Körbe, sogenannte „Kiezen“ auf dem Kopf.
In der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts tauchten die ersten „Bildungsreisende“ auf den
Straßen auf. Studenten, Künstler und Reiseschriftsteller, die auf
diese weise Land und Leute kennen lernten und in ihren Büchern über
ihre Erfahrungen während des Wanderns berichteten. Zwischen diesem
Fußvolk tauchte immer wieder der „Landbote“ auf, der Briefe,
Dokumente und Geld zu Geschäfts- und Privatleuten brachte.
Gegenüber uns Heutigen waren die
Laufleistungen dieser Menschen mehr als erstaunlich.
Ulrich Bräker (1735 – 1798)
marschierte 1756, in preußische Dienste gezwungen, 800 Kilometer von
Rottweil nach Berlin in ca. 24. Tagen. Er bewältigte ungefähr 33.
Kilometer am Tag.
Der aus Frankfurt stammende Soldat
Johann Konrad Friederich ( 1789 – 1858) marschierte 1805 die 33.
Kilometer von Dürkheim nach Kaiserslautern in einem Tag. Von Lautern
nach Landstuhl lief er in 3. Stunden.
Johann Friedrich Bruch (1792 – 1874)
aus Pirmasens lief mit einem Mitstudenten im Oktober 1811 zu Beginn
des Wintersemesters in zwei Tagen nach Straßburg - rund 100
Kilometer - „unter beständigem Regenwetter bis auf die Haut
durchnässt“.
Etwas bescheidener waren die
Laufleistungen von Friedrich Blaul (1809 – 1863) wie in seinen
„Träumen und Schäumen vom Rhein“ nachzulesen ist. Sein
Tagespensum betrug rund 20 Kilometer (Neustadt – Frankenstein;
Frankenstein – Kaiserslautern). Von Kaiserslautern nach Trippstadt
allerdings benutzte er die Mitfahrgelegenheit auf einem Fuhrwerk.
Der Meister auf „Schusters Rappen“
war zweifelsohne der Bildungsreisende Johann Gottlieb Seume (1763 –
1810). In seinen Erinnerungen schildert er wie er 1802 von Grimma bei
Leibzig nach Syracus in Südsizilien wanderte. Diese strecke ist
ungefähr 2300 Kilometer weit und er brauchte zu Fuß vier Monate
dazu. In weiteren fünf Monaten bewältigte er den Rückmarsch, zur
Abwechslung über Paris, Straßburg und Frankfurt. Er lief seine weg
in den gleichen immer wieder frisch besohlten Stiefeln. Zur
Verminderung des Gepäckgewichtes trug bei, das er einige seiner
mitgeführten Bücher, meist klassische Autoren nach der Lektüre,
ganz oder Blattweise wegwarf. Sein 1803 gedrucktes Buch „Spaziergang
nach Syracus“ wurde zu einem Bestseller.
Ambulator nascitur non fit:
„Spaziergänger kann man nicht werden, man ist es durch Geburt“.
Schrieb der vielleicht leidenschaftlichste Wanderer der Weltliteratur
H.D. Thoreau in seinem Essay „Vom Wandern“. Und setzte unter
diesen Satz die Gedanken: „Ich glaube, das ich meine körperliche
und geistige Gesundheit nur bewahre, in dem ich täglich mindestens
vier, gewöhnlich jedoch mehr Stunden damit verbringe, absolut frei
von allen Forderungen der Welt durch den Wald und über Hügel und
Felder schlendere“.
Natürlich kann sich heute der Großteil
der Menschen nicht mehr so seinen Alltag verbringen wie das Seume
oder Thoreau taten, aber das man sich hin und wieder den „Luxus“
einer größeren Wanderung gönnt das kann sich fast jeder leisten.
Am besten auch wieder im Sinne Thoreaus: „Bei meinen
Nachmittagsspaziergängen möchte ich meine morgendliche
Beschäftigungen und meine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft
vergessen“.
Wirkliches Wandern ist eine
Lebensphilosophie.
hukwa