Der Wald mit seinen großartigen
Naturerscheinungen hat für alle nur möglichen Fragen eine Antwort parat. Wenn
wir in die Tiefen der Wälder eindringen, überkommt uns da nicht Respekt vor den
alten Baumriesen, die hier und da noch zu finden sind? Und so kann es
passieren, dass wir uns plötzlich in einer romantischen Welt wiederfinden, dass
wir im Wald einen friedvoll in sich ruhenden Erdentag genießen und ihn als eine
mütterliche Hülle des Lebens erahnen, als Spiegelung unserer eigenen
Empfindungen und Gefühle, als unberührte Natur, die uns den ewigen Rhythmus des
„Werden und Vergehens“ erzählt.
In den Wäldern erhalten wir jenen
Zuspruch, der uns in unserem Alltagsleben so oft versagt bleibt. Wenn wir durch
den Wald wandern, bemerken wir bald, dass hier noch etwas existiert das sich im
Alltagsleben nur noch schwer finden lässt: Sein.
In einer von Ellenbogenmentalität geprägten Gesellschaft kann der Wald zu einem
Refugium des Seins werden. Schon lange hat sich das Misstrauen gegen eine Welt,
die eigentlich nur noch ökonomisch zu funktionieren scheint, zu einem
Krankheitssymptom unserer Zeit ausgewachsen und alle Werte ins Schwanken
gebracht. Doch eine Wanderung durch den Wald kann uns wieder jenen Werten nahe
bringen, die wir als die menschlichen bezeichnen.
Wir können den Wald als ein einziges
Gleichnis betrachten. Manchmal erscheint er uns wie ein Labyrinth. Wir wandern
durch dunklen Fichtentann und wissen, irgendwo wartet eine sonnige Lichtung auf
uns. Unser Alltagsleben ist oft stressig, wir werden gereizt durch Lärm, tragen
uneingestandene Wünsche mit uns herum. Unser Leben besteht oft nur aus Sorgen,
Ängsten und Phantasien, die wir verdrängen. Dies alles sind Symptome, die
unseren Körper und Geist in eine ständige Alarmbereitschaft versetzen. Im
Alltagsleben werden wir vor allem vom Stress gejagt, unter dem natürlich auch
die zwischenmenschlichen Beziehungen leiden. Von Stresssituationen zum
Dauerstress ist es nur eine kurze Wegstrecke und schon haben uns die
Infamitäten des Alltags fest im Griff. Dann kommt uns manchmal der Gedanke, es
gäbe kein Entrinnen mehr aus diesem Geflecht. Unser Alltag wird zu einem Gewirr
von Eindrücken, Forderungen, negativen Gedanken und unliebsamen Verpflichtungen.
Wir sind ständig in Gefahr, die Einheit unseres Lebens zu verlieren. Wir leben
fern von uns selbst, also fern von unserer wirklichen Existenz. Unruhe,
unbeantwortete Fragen und Zweifel sind zur geistigen Heimat des Menschen
geworden.
Der Wald hingegen schenkt uns
Sinngebung, er hat einen meditativen Einfluss auf uns. Jeder Mensch spürt
irgendwann in seinem Leben ein Bedürfnis nach Natur, Stille und erholsamer
Umgebung. Er weiß unbewusst - in den Wäldern findet er eine innere Balance-
seinen eigenen Mittelpunkt, den die meisten Menschen verloren haben.
Der Philosoph Ernst Bloch schrieb
einmal: „Der Mensch bewegt sich in der
Natur wie im Feindesland“. Nun so muss er eben wieder lernen, den Wald als
eine Offenbarung zu sehen, als eine Arznei für seine Seele. Es liegt in der
Natur des Menschen, dass er zu Eingrenzungen und Vereinnahmungen neigt. Für die
einen ist der Wald ein romantischer Ort. Aber es gibt auch andere, die hier nur
eine Menge Bretter „wachsen“ sehen. Doch wer sich in der Kunst des meditativen
Wanderns übt, wird im Wald das finden was er sucht: einen Zuspruch!
Die Illusion, sich aus der
Abhängigkeit der Natur befreien zu können, und der Versuch, sie sich untertan
zu machen, brachte dem Menschen nicht die ersehnte Heilung sondern nur Unheil.
Es gibt Augenblicke im Leben von uns
Menschen, in denen wir das Gefühl der Vollständigkeit des Lebens erfahren.
Solche Momente begegnen uns, wenn wir die Einheit mit der Natur in uns spüren.
Dann wird das Rauschen eines Baumes zur Musik und windstilles Schweigen zur
Antwort. Dann löst sich die lineare Zeit auf und wir fühlen uns aufgehoben in
den Zyklen der Jahreszeiten. Es ist dies die sinnliche Erfahrung mit der Natur,
die immer die Erfahrung einer belebten, beseelten und mystischen Lebenswelt
ist, mit der wir untrennbar verwoben sind, selbst wenn wir es nicht wahrhaben
wollen.
Auf einer Wanderung durch die
vielseitigen Waldlandschaften von Trippstadt können wir in solche
„naturmystischen Momente“ immer wieder hinein-wandern, wenn wir es nur möchten.
Die einsamen Wälder rund um Trippstadt verbergen manch geheimnisvolles Kleinod.
Scharderkopf im Trippstadter Wald |
Da ist die zwar bekannte doch
trotzdem geheimnisumwitterte Karlstalschlucht, die jeden ihrer Besucher in
ihren Bann zieht. Von hier aus ist es nicht weit zur historischen Amseldell und
gerade einmal zehn Minuten Fußweg weiter kommt man zu den archaischen
Steinformationen des Scharterkopfes. Ein Platz, an dem man die Zeit vergisst.
Schon in den Märchen heißt es, dass sich besondere Orte nur denen auftun, die
reinen Herzens sind. Wenn wir diese Worte in die heutige Sprache übersetzen
würden, müssten sie etwa so lauten: „Wir leben nur noch in unseren Köpfen,
treiben gefangen in einem Netz von Abstraktionen dahin und können uns in einer
objektivierten Landschaft nicht mehr zu Hause fühlen.“ So sprach es der
Anthropologe, Ökologe und Philosoph David Abram aus.
Jene Landschaften, wo es noch
romantisch-mystische Plätze gibt, sind selten geworden. In den Wäldern von
Trippstadt finden wir noch die abgelegenen Felsplateaus, tiefe Wälder, einsame
Haine, verwunschene Steine, Waldes-schluchten, heilige Quellen, Brunnen und
kalte, klare Waldweiher.
Vom Scharderkopf aus erreichen wir
mit einer gemütlichen Wanderung von etwa 40 Minuten, das versteckt im Dickicht
an einem Felsen angebrachte Steinrelief der „heiligen Diana der Wälder“. Eine
kleine Höhle neben dem Felsbildnis lädt ein zur Meditation.
Dianarelief am Pionierweg im Trippstadter Wald |
Versteckt auf einem Berg, verborgen
im Schatten alter Bäume, im Herbst den Blicken entzogen durch Nebelschwaden die
dem wilden Rauschen der Moosalb entspringen, thront Burg Wilenstein über dem
Karlstal. Die alten Steine erzählen nicht nur vom Mittelalter, wahrscheinlich
weisen sie weit zurück in die „Heidenzeit“. Vieles spricht dafür, dass hier in
der Frühzeit wohl einmal ein keltischer Kultplatz war. Der Name „Wilenstein“
ist keltischen Ursprungs, abgeleitet von Wilbeth den „drei Bethen“, einer
uralten drei Götter Mythologie, wie sie seit der Jungsteinzeit bis hin zu den
Germanen und Kelten Bestand hatte. Doch auch der Name Moosalb ist keltischen
Ursprungs. Der Namensbestandteil „alb“ für Bach- und Flussnamen stellt eine
altwestische (vorindogermanische) Bezeichnung für Fluss- und Bachbette sowie
Weißwasser dar, die sich im keltischen Sprachschatz ebenfalls widerspiegelt.
Die sogenannten „drei Bethen“ (Muttergöttinnen) sind eng verbunden mit Steinen,
Höhlen, Bergen und Quellen. All das findet sich in der Umgebung der alten Burg.
Eine meditative Wanderung durch die
Trippstadter Wälder kann für jeden, der es möchte, eine Wanderung vom Alltag in
den ALL – TAG werden.
Burg Wilenstein bei Trippstadt |
hukwa