Fotos Ute Knieriemen-Wagner |
Montag, 13. April 2015
Sonntag, 12. April 2015
Fame, bellum, peste. - Der Dreißigjährige Krieg und seine Folgen für Kaiserslautern und Umgebung
Die Nacht der Geschichte
gebiert Ungeheuer.
Rüdiger
Safranski
Der Dreißigjährige Krieg mit seinen
Grenzzahlen 1618 – 1648 ist auch für das Gebiet des heutigen
Landkreis Kaiserslautern natürlich nicht genau umschrieben.
Der Kurpfälzer Friedrich V. Residierte
einen Winter lang als König in Prag und machte damit, unfreiwillig,
die Pfalz zum Aufmarschfeld des Dreißigjährigen Krieges, dessen
Kriegsfurie aufs schrecklichste auch unseren heutigen Landkreis
heimsuchte. Er hinterließ ein von Kaiserlichen und Protestanten, von
Schweden, Kroaten, Spaniern und Deutschen gleichermaßen verheerendes
und ausgelaugtes Land.
Am 19. September 1610 stirbt Kurfürst
Friedrich IV. In Heidelberg, seine Kinder sind zu dieser Zeit noch
unmündig. Sein ältester Sohn und zukünftiger Nachfolger wird am
Hofe seines Schwagers, des Herzogs Heinrich von Bouillon erzogen. Im
Jahre 1615 nach seiner Volljährigkeitserklärung kann er als
Kurfürst Friedrich V. Von der Pfalz die Regierungsgeschäfte
übernehmen. Bis zum Jahr 1620 verwaltet Friedrich V in Personalunion
die pfälzischen Landteile, die Laut des Testamentes seines Vaters
dem noch unmündigen Bruder Ludwig Philipp zugefallen sind: das
Herzogtum Simmern und das Fürstentum Lautern.
Als Teilgebiet der Kurpfalz umfasste
das Fürstentum Lautern das Oberamt Lautern. Hauptort war das heutige
Kaiserslautern. Unterämter waren Rockenhausen, Otterberg und
Wolfstein. Hinzu kamen die Gerichte Kübelberg, Ramstein,
Steinwenden, Weilerbach, Morlautern, Alsenborn, Neukirch und
Waldfischbach.
Im Jahre 1617 wird Kaiser Ferdinand II.
Mit den Stimmen der vorwiegend protestantischen Stände des Landes
zum König von Böhmen gewählt. Allerdings missachtete er die von
ihm versprochene Religionsfreiheit (Sein Wahlspruch war: „lieber
über eine Wüste als über ein Land voller Ketzer regieren“). Die
böhmischen Stände erklärten Ferdinand II. Als böhmischen König
für abgesetzt und setzten Friedrich V. Die Krone auf. Mit diesem
Schritt war das Schicksal von Friedrich V. Als Landesherr besiegelt.
Kaiserliche Truppen marschierten Richtung Prag und schlagen am 8.
November 1620 am „Weißen Berg“, in der Nähe des
Königsschlosses, das böhmische Heer. Der mit dem Spottnamen
„Winterkönig“ betitelte Friedrich V. Flüchtete mit seiner
Familie zunächst nach Breslau, schließlich nach Holland. Von nun an
wird die Kurpfalz und das Herrschaftsgebiet des Pfalzgrafen Ludwig
Philipp zum Spielball gegnerischer Mächte.
Schon im August 1620 marschieren
burgundische und spanische Soldaten aus den Niederlanden in Richtung
Pfalz. Die ersten pfälzischen Städte werden von Spaniern besetzt.
Der dreißigjährige Krieg hat die
Pfalz erreicht.
Für unser Gebiet ist das
einschneidendste Ereignis die Belagerung von Kaiserslautern im Jahre
1635, der sog. Kroatensturm.
Die Kaiserlichen hatten die Stadt mit
einer Armee von 7000 Mann vorwiegend Deutsche, Polen, Kroaten und
Ungarn belagert. Am 17. Juli 1635 schießen sie eine Bresche in die
Stadtmauer beim Schloss, dringen in die Stadt ein, berauschen sich
mit dem Wein aus dem Schlosskeller und richten ein schreckliches
Gemetzel und Blutbad unter der Bevölkerung an. Die Stadt wird zum
Teil niedergebrannt. Etwa 1500 Menschen sind ums Leben gekommen.
Einige Überlebende retten sich in die Wälder. Ein Teil der
Geflüchteten wird im Reichswald bei Dansenberg entdeckt und
niedergemetzelt. Es dauert 150 Jahre bis die Zahl der Einwohner aus
der Zeit vor dem Krieg wieder erreicht ist. Nach dem Sturm ziehen die
Kaiserlichen weiter nach Westen an die Saar. Anfang November 1635
kommen die Truppen auf ihrem Weg an den Rhein zurück nach
Kaiserslautern, wieder wird geplündert und gemordet. Diesmal wird
auch die Burg zum Teil niedergebrannt.
Über die Ereignisse vom 17. Juli 1635
in Kaiserslautern schreibt Karl Scherer:
„Einen ersten Leitangriff vermochten
die Verteidiger abzuschlagen,... Im Schutze dichter Rauchschwaden
drang Oberstleutnant Raimundu Montecuccoli (berühmt geworden durch
den Türkensieg bei St. Gotthard an der Raab, 1664, und als Verfasser
militärtheoretischer Schriften) an der Spitze von 200 abgesessenen
Kürassieren des Regimentes Aldobrandini in die Stadt ein und naghm
im erbitterten Straßenkampf den Stadtkommandanten gefangen. Durch
aufgeschlagene Tore und weitere Breschen einstürmende Kroaten
vollendeten die Eroberung...“
Wir wissen heute dass der bekannte
Philologe und Pädagoge Daniel Pareus, der Verfasser der „Historia
Palatina“, an diesem Tag auch ums Leben kam. Pareus wollte in
Kaiserslautern eine Schule eröffnen.
Den Dörfern um Kaiserslautern erging
es genau so: es wurde geraubt, gebrandschatzt, gefoltert, gemordet.
Die Söldner mussten für ihre Verpflegung selbst sorgen. Sie taten
es in dem sie mordend und raubend in die Dörfer eindrangen. Die
Dörfer der Herrschaft Wilenstein also Trippstadt, Mölschbach,
Stelzenberg, die Waldsiedlung Hilsberg (der heutige Stüterhof) waren
jahrelang ausgestorben; wenige Bewohner konnten sich in die Wälder
retten.
Hier versteckten sie sich meist sogar
bis nach dem Krieg.
Auch die Holzland Dörfer also Schopp,
Steinalben, Waldfischbach und die hier gelegenen Mühlen wurden
zerstört und niedergebrannt. Noch 1856 waren diese Dörfer
unbewohnt. Die Häuser waren nur noch Ruinen, falls überhaupt noch
Mauerwerk stand, und die Felder übersät mit Unkraut und Dornen.
Im Gericht Steinwenden, zu dem u.a. die
Orte Mackenbach, Kottweiler und der kurpfälzische Teil von Schwanden
gehörten, sind in diesen Orten 1684 – man bedenke: sechsunddreißig
Jahre nach dem Kriegsende – noch immer keine Einwohner vorhanden.
Im gesamten Gericht Steinwenden zählte man erst nach Jahrzehnten des
Friedens ca. zwanzig Prozent seiner Einwohner von vor dem Krieg, als
es rund 300 waren. Ramstein und Otterberg hatten vor dem Kriege ca.
100 bzw. 1570 Einwohner. Im Jahre 1684 waren es noch 35 bzw. 415
Einwohner.
Auch das Amt Wolfstein blutete aus. Zu
diesem Amt gehörten außer Katzweiler, Mehlbach, Hirschhorn,
Sulzbach, Olsbrücken und Frankelbach noch vier weitere Orte aus dem
heutigen Landkreis Kusel. Das Amt hatte vor dem Kriege etwa 800
Einwohner bei Kriegsende waren es nur noch 200 Einwohner. Katzweiler
hatte keinen einzigen Einwohner mehr. Erst 1684 zählte die
Einwohnerzahl des Amtes Wolfstein wieder 3/5 der Bevölkerungszahl
von vor dem Krieg.
„Fame, bellum, peste“ - Hunger,
Krieg und Pest! Diese drei Worte umschreiben das Elend, das der
Dreißigjährige Krieg über das Deutsche Reich brachte. Nach dem
dreißigjährigen Sterben war die vormals blühende Pfalz ein
einziges „Distelfeld“.
Dieser schreckliche Krieg war dennoch
dass „größte Lehrstück“ unserer Geschichte. Seine
ungeheuerlichen Zerstörungen wurden zum Geburtshelfer der modernen
europäischen Staatengemeinschaft. Dadurch dass zahlreiche
europäische Völker sich blutig abschlachteten, konnte sich in
Europa das erste mal so etwas wie eine europäische
Schicksalsgemeinschaft bilden. Am ende dieses Krieges erkannte Europa
das erste mal dass es so etwas wie eine zusammenhängende
Staatengesellschaft gibt. Hier gilt das Wort des Heraklit: Der Krieg
als Vater aller Dinge. Aus diesem großen Krieg ging der Westfälische
Frieden hervor, der zwar nicht jeden Krieg verhindern konnte aber mit
Sicherheit gab es nun etwas dass es vorher nicht gegeben hat:
Geschichtsbewusstsein!
hukwa
Lit. Hinweise:
Karl Scherer: Der Dreißigjährige
Krieg in der Pfalz; in: Pfälzische Landeskunde.
Friedrich von Schiller: Geschichte des
Dreißigjährigen Krieges.
Ernst Christmann: Der Dreißigjährige
Krieg im Oberamt Lautern.
Gustav Freytag: Bilder aus der
deutschen Vergangenheit.
Rüdiger Safranski: Schiller – eine
Biographie.
„Auf dem ältesten Altare der Menschheit stehend“
Gedanken beim Besteigen eines Berges
bei Trippstadt
An solchen Orten erkennnnt man dass
Natur vielmehr ist als das wissenschftlich Messbare oder
wirtschaftlich Verwertbare. Solche Plätze sind ein Sinnbild für
seelische und kosmische Verbindungen. Es sind Landschaftsräume von
Andacht, Demut und Stille. Wenn man sich hier aufhält kommt der
Moment wo der Geist zwischen Tag und Nacht, Wachheit und Phantasie,
zwischen Gegenwart und ältester Vergangenheit weilt.
Einsam auf einem Bergrücken im
Pfälzerwald gelegen steht eine seltsame Formation von
Buntsandsteien. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren als wären
sie einst von Riesen errichtet worden. Es handelt sich natürlich um
ein Steingebilde das in der Eiszeit entstand.
Die Anordnung der Felsen ist so bizarr
das man davon ausgehen muss dass sich hier in der Frühgeschichte ein
heidnischer Kultplatz befand. Verwitterte Ritzungen in den Steinen
und kaum noch deutbare Felszeichnugen lassen ahnen dass dieser Platz
einst für religiöse Handlungen genutzt wurde.
Etwas entfernt im Gebüsch von Farn und
Brombeerranken bedeckt liegt ein spitz zu laufender Stein von etwa
drei Meter Länge bei dem es sich um einen Menhir handeln dürfte.
Eine Vertiefung auf der Buntsandstein Formation hat die gleichen
Umrisse wie der Sockel dieses Steins. Noch etwas weiter entfernt
findet sich eine Steinanlage die mit Sand ausgefüllt ist und bei der
es sich wohl um einen urzeitlichen Grabhügel handeln muss.
Wenn man die Felsformation erklettert
hat und auf der Plattform steht auf der mindestens zehn Menschen
Platz haben empfängt einem das erhabene Schweigen dieser mystischen
Waldlandschaft. Wie Mahner oder Wächter stehen die mächtigen Buchen
und Eichbäume hier. Die darauf achten dass die moderne und
entmytologisierte Gegenwart hier nicht so einfach eindringen kann.
Der Weg hier herauf führt vorbei an abgelegenen Felsplateaus,
verwunschenen Steinen und dichtem Wald. Die Moose an den mächtigen
Buntsandsteinblöcken erscheinen wie Metaphern für das zähe
Überleben dieses mythischen Raums. Wie schlafende Riesen mahnen sie
uns an ein goldenes mythisches Zeitalter. Auf der Bergkuppe weilend
scheint sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu Vereinen. Es ist
der Moment wo sich die Gedanken einem Höherem, einem Anderen
zuwenden. Und dieses Andere scheint jetzt in seiner urgewaltigen,
archaischen Sprache zu sprechen. Es ist als würde sich ein Vorhang
Lüften der für einge Sekunden einen Blick in die Frühgeschichte
der Menschheit preisgibt. Und im leisen rauschen der Bäume, im
Rascheln der trockenen Blätter und im Wispern des Windes scheint
plötzlich die Stimme Goethes zu ertönen:
„In diesem Augenblick, da die inneren
anziehenden und bewegenden Kräfte der Erde gleichsam unmittelbar auf
mich wirken, da die Einflüsse des Himmels mich anher umschweben,
werd ich zu höheren Betrachtungen der Natur hinaufgestimmt, und wie
der Menschen Geist allles belebt, so wird auch ein Gleichnis in mir
rege, dessen Erhabenheit ich nicht widerstehen kann. So einsam sage
ich zu mir selber, in dem ich diesen ganzen nackten Gipfel hinabsehe
und kaum in der Ferne ein gering wachsendes Moos erblicke, so einsam
sage ich, wird es dem Menschen zu Mute, der nur den ältesten,
ersten, tiefsten Gefühlen der Wahrheit seiner Seele öffnen will. Da
kann er zu sich sagen: Hier, auf dem ältesten ewigen Altare, der
unmittelbar auf die Tiefe der Schöpfung gebaut ist, bringe ich dem
Wesen aller Wesen ein Opfer dar“.
hukwa
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